Seit 85 Jahren stehen am «Tag der Kranken» kranke, betagte und beeinträchtigte Menschen im Mittelpunkt – und mit ihnen alle Pflegenden, Ärztinnen und Ärzte, Therapeutinnen und Therapeuten, die zu ihrer Genesung und zu ihrem Wohlbefinden beitragen. Sie alle verantworten eine gute medizinische Versorgung in der Schweiz. Daneben werden aber für einmal auch all die Angehörigen, Freunde und Bekannte in den Blick genommen, die oft unerkannt und im Privaten, aber in grosser Treue Nähe, Begleitung und Pflege gewährleisten.
Die Botschaft dieses «Tages der Kranken» stellt damit ein Gegengewicht zu den eher negativen Meldungen dar, die wir aus dem Bereich der Gesundheit (Kosten, Spitalschliessungen, Ärztemangel, fehlendes Personal) gewohnt sind.
«Zuversicht stärken»
Das Motto 2024 unterstreicht die Bedeutung des Tages. Zuversicht ist laut Duden ein «festes Vertrauen auf eine positive Entwicklung in der Zukunft, auf die Erfüllung bestimmter Wünsche und Hoffnungen». Wer also die Zuversicht stärkt, stärkt Hoffnung und Vertrauen.
Für uns Christinnen und Christen hat Zuversicht einen festen Boden, einen verlässlichen Grund – Gott. Der Glaube an ihn erinnert uns immer wieder daran, dass wir für die Liebe geschaffen sind, zur Gemeinschaft und zur Geschwisterlichkeit berufen. Dieser Aspekt unseres Wesens trägt uns vor allem in Zeiten von Krankheit und Gebrechlichkeit, und er ist die erste Therapie, die wir alle gemeinsam anwenden müssen (vgl. Botschaft von Papst Franziskus zum Tag der Kranken).
Die Bibel ist voll von Bildern, Geschichten und Erfahrungen, die die Zuversicht der Glaubenden stärken und fördern. Eines der schönsten Worte findet sich im Buch des Propheten Jesaja (46, 3+4):
Hört auf mich, ihr vom Haus Jakob
und ihr alle, die vom Haus Israel noch übrig sind,
die mir aufgebürdet sind vom Mutterleib an,
die von mir getragen wurden seit sie den Schoss ihrer Mutter verliessen.
Ich bleibe derselbe, so alt ihr auch werdet;
bis ihr grau werdet, will ich euch tragen.
Ich habe es getan und ich werde euch weiterhin tragen.
Ich werde euch schleppen und retten.
Gott wird uns tragen und schleppen – das heisst, kein Mensch kann so tief sinken, dass Gott ihn nicht herausziehen könnte. Egal was wir erleben – Glück und Freude oder Krankheit, Not und Tod – wir sind gehalten von Gott – getragen, geschleppt. Er ist der Garant des Lebens.
So ist Zuversicht zunächst für mich selber Quelle der Kraft. Sie ist die Energie, die ich brauche um weiter zu gehen und weiter zu machen, für Kranke verfügbar zu bleiben.
Die Zuversicht und das Wissen, dass ich nicht allein bin, gibt Angehörigen auch die Freiheit, sich selber gut Sorge zu tragen. Denn niemandem ist geholfen, wenn die Helfenden nicht mehr können.
Die Zuversicht, die mich erfüllt, werde ich auch vermitteln – nicht zuerst und vor allem durch Worte, sondern durch Präsenz und Ausdauer. Papst Franziskus: «Die erste Behandlung, die wir bei Krankheit brauchen, ist eine Nähe voller Mitgefühl und Güte. Sich um einen kranken Menschen zu kümmern, bedeutet daher zuerst, sich um seine Beziehungen zu kümmern, um all seine Beziehungen: zu Gott, zu den anderen, … zur Schöpfung, zu sich selbst. Ist das möglich? Ja, es ist möglich, und wir alle sind aufgerufen, uns dafür einzusetzen, dass es geschieht.»
Angehörige und Freunde sind auch deshalb so wichtig, weil gerade sie Gespräche führen können, die einen Menschen nicht auf seine Krankheit oder sein Defizit reduzieren. Sie nehmen den ganzen Menschen in Blick, seine ganze Geschichte, auch das, was gut war und ihm Kraft gegeben hat. So wird das, was im Moment schlecht geht oder schmerzt, nicht aufgelöst. Es bekommt aber einen angemessenen Ort.
«Zuversicht stärken»
Zuversicht richtet sich auf Zukunft aus, auf eine rasche Genesung, auf Besserung oder wenigstens auf eine Stabilisierung der Gesundheit. Dieser Wunsch gilt allen kranken Menschen.
Aber dann gibt es auch den Moment der Gewissheit, dass es nicht mehr besser wird. Die Zeit des Abschieds bricht an, in der der Tod vor Augen steht. Da richtet sich die Zuversicht auf ein schmerzfreies Sterben ohne Angst, auf das Loslassen und gehen können. Bei Menschen, die an die Auferstehung glauben, kann in dieser Zeit die Hoffnung weiterwirken und sogar eine zarte Vorfreude an Kraft gewinnen.
In der jeweiligen Situation, mit den konkreten Menschen die Quellen der Kraft suchen, Glaubende an die Zuwendung Gottes erinnern, an seine bleibende Nähe, an seine Verheissung des Lebens in Fülle – ich danke allen von Herzen, die sich dieser Aufgabe annehmen und so bei den kranken, betagten und beeinträchtigten Menschen tatsächlich die «Zuversicht stärken».
Für die Schweizer Bischofskonferenz
+ Markus Büchel, Bischof von St. Gallen