Nach 14 Jahren im Bischöflichen Ordinariat wird Dr. Claudius Luterbacher-Maineri per 1. September neuer Leiter Amt für Soziales Kanton St.Gallen, am Donnerstag, 19. August ist sein letzter Arbeitstag. Die Aufgaben in der Kirche sind ihm nicht verleidet. «Ich ging jeden Morgen gerne zur Arbeit und ich habe das Privileg zu gehen, solange es noch Spass macht», sagt der scheidende Kanzler des Bistums. Seinen Wechsel ist begründet durch sein im Amt gewachsenes Interesse für professionelle Aufgaben im sozialen Bereich.
Claudius Luterbacher begann 2008 als Mitarbeiter für Rechtsaufgaben in der Bistumsleitung, bis zum Bischofswechsel 2006 hatte der em. Bischof Ivo Fürer, promovierter Kirchenrechtler, viele Rechtsfragen selber erledigt. Bischof Markus Büchel, der einen grossen Rucksack aus der Pastoral aber nicht als Jurist ins Bischofsamt mitbrachte, suchte diese Ergänzung für seinen Stab. Als Vorbereitung hatte Claudius Luterbacher in Strassburg Kirchenrecht, Religionsverfassungsrecht und öffentliches Recht studiert. «Sofort habe ich in ganzer Breite Rechtsfragen bearbeitet, die neu geschaffene Stelle war ein super Einstieg», sagt Claudius Luterbacher. Interesse, Begeisterung und Weitblick wird deutlich, wenn er über diese Herausforderungen spricht. Er betrachtete Recht nie als in sich geschlossen, sondern als Disziplin, die in alle Bereiche hineinspielt. «Es ist immer Instrument und Hilfe, aber nie Zweck für sich», ergänzt er.
Ein Husarenstück
Beim Amtsantritt als Kanzler 2012 gingen einige Aufgaben des in Pension gehenden Kanzlers Fridolin Eisenring zum Sekretariatsleiter Philipp Gerschwiler über, beispielsweise das Privatsekretariat des Bischof. Als Schwerpunkt geblieben ist die Finanzverantwortung. Luterbacher koordinierte den Ordinariatsrat (Bistumsleitung) und war massgeblich mitbeteiligt an einer grösseren Strukturreform im Bischöflichen Ordinariat 2015. Ämter wurden zusammengelegt und als neues Gremium die Ordinariatsversammlung (Overs) ins Leben gerufen, bestehend aus den Mitarbeitenden der Ämter. Der Bischof beauftragte den Kanzler mit der Leitung der Overs, während Markus Büchel weiterhin die Sitzungen des Ordinariatsrates leitete. Für beide Gremien bereitete der Kanzler die Geschäfte vor.
Wichtige Themen seiner Amtszeit waren personalrechtliche Fragen, beispielsweise das Personaldekret, das einheitliche Bedingungen für alle Mitarbeitenden im Bistum St.Gallen schuf, war ein Husarenstück. Hier wie auch für das Kulturgüterdekret oder im Verein Weltkulturerbe gab es stets eine enge und gute Zusammenarbeit mit dem Katholischen Konfessionsteil Kanton St.Gallen sowie den staatskirchenrechtlichen Behörden beider Appenzell. Es waren teils jahrelange Prozesse, deren Abschluss Höhepunkte in der Amtszeit des Kanzlers waren.
Medientauglich
Kommunikationsaufgaben haben Claudius Luterbacher stets begleitet, er war Mitglied des Krisenkommunikationsteams Bistum St.Gallen und leitete die Arbeitsgruppe Kommunikationsstrategie sowie ab 2020 für zwei Jahre die Corona-Taskforce. Medien suchten ihn gerne als kompetenten Gesprächspartner wie glaubwürdigen Vertreter der Bistumsleitung, der auch zu heiklen Themen offen Stellung nahm.
Fachmann Staat-Religion
Viele, mit der ursprünglichen Rechtsberater-Stelle verbundenen Aufgaben hat Claudius Luterbacher mitgenommen ins Amt des Kanzlers. Er ist ein Fachmann für Schnittstellen zwischen Staat und Religion, darüber dozierte er auch an Universitäten. Im Bereich der Klöster waren diese Fragen besonders virulent und auch komplex. Hierzu ist der scheidende Kanzler den letzten Jahren zum schweizweit wie international gesuchten Fachmann geworden. Den Kontakt zur Universität und dem Thema des Religionsverfassungsrechts wird er weiterhin halten, soviel die Zeit es ermöglicht.
Gefreut hat sich Claudius Luterbacher stets über Aussenkontakte wie die Konferenz zu Fragen von Staat und Religion im Kanton St.Gallen oder Einladungen zu Vorträgen. «Eine Institution, die sich nur nach Innen ausrichtet, ist keine Option, Kirche ist ein Teil der Gesellschaft». Stets hat der Theologe, Ökonom und Sozialethiker gespürt, dass es von Interesse ist, wenn jemand aus diesem Hintergrund heraus referiert. Die Vorbereitungen für alle Aussenauftritte, ob an einer Uni oder für eine Podiumsdiskussion zu Frieden im Henry Dunant-Museum, sah er immer auch als persönliche Weiterbildung.
Kircheninterne Fragen
Kirchenintern mussten regelmässig kirchenrechtliche Themen geklärt werden. Claudius Luterbacher nennt ein Beispiel: «Es kann vorkommen, dass sich die Eltern nicht einig sind, ob ein Kind getauft und damit Mitglied der Kirche werden soll oder nicht. Im Umgang mit dieser Situation haben Kirchenrecht und ziviles Recht voneinander abweichende Vorgaben.» Als juristisch interessierter und gebildeter Akademiker waren das für Claudius Luterbacher spannende Fragen, mit jedoch oft schwer zu vermittelnden Antworten.
Klare Entscheide wichtig
Alles in allem war es eine Fülle von Aufgaben, immer wieder sind neue dazugekommen. Hatte der scheidende Kanzler auch einmal schlaflose Nächte? «Ja, das gab es», bestätigt Claudius Luterbacher. Personalprobleme, menschlich schwierige Situationen hätten ihn belastet. Er habe aber gute Erfahrungen mit einer offenen und transparenten Kommunikation gemacht. Und er spürte stets, wie wichtig es war, klare Entscheide zu fällen. «Die Leute wussten woran sie sind», erklärt er.
Aufgaben Caritas
Ein weiteres Husarenstück war die Sanierung der Caritas St.Gallen-Appenzell, die 2012 in einer äusserst schwierigen Situation war. Der Kanzler ist Vizepräsident des Vorstandes von Amtes wegen. Die Regionalorganisation der Caritas hatte hohe Schulden durch ein strukturelles Defizit, sofortiges Handeln war nötig. Einsparungen und Schuldentilgung durch den Katholischen Konfessionsteil Kanton St.Gallen, genehmigt durch das Katholische Kollegium, führten die Organisation in eine gute Zukunft. Claudius Luterbacher lobt die damalige Zusammenarbeit mit den für diese Aufgabe gesuchten Vorstandsmitgliedern Josef Fässler (Präsident) und Lukas Scherer. Sukzessive bereinigten sie die vorhandenen Probleme und bauten die Organisation neu auf. Eine grosse Hilfe ist bis heute der Verbund mit Caritas Schweiz mit gegenseitigem Einsitz in den Gremien. Offenbar war die Zusammenarbeit mit dem Kanzler des Bistums St.Gallen so überzeugend, dass er nicht nur in den Vorstand von Caritas Schweiz gerufen wurde, sondern heute deren Präsident ist. Dieses Amt wird er aufgrund der neuen Aufgabe beim Kanton per Ende Jahr abgeben müssen.
Teamarbeit sehr geschätzt
Claudius Luterbacher bleibt der Kirche nun auf andere Weise verbunden. «Und falls einmal eine religionsrechtliche Expertise gefragt ist werde ich meine Kenntnisse zur Verfügung stellen», betont der scheidende Kanzler. Ein willkommenes Angebot, denn es gibt sehr wenige Experten für diesen Bereich. Im Grossen und Ganzen erlebte der Kanzler «eine unglaublich spannende und bereichernde Zeit, auch die Zusammenarbeit und die Loyalität im Team habe ich enorm geschätzt». Seinen Nachfolger Thomas Englberger hat er unterdessen sorgfältig eingearbeitet und ihm eine Fülle von Aufgaben und Akten übergeben. Auch er wird als Theologe und Soziologe wieder seine individuellen Fähigkeiten einbringen, mit teils anderen Aufgaben. Die Finanzverantwortung übernimmt künftig Sekretariatsleiter Philipp Gerschwiler, der vom Bischof gleichzeitig in den Ordinariatsrat berufen wurde.