Predigt von Bischof Markus Büchel auf Youtube
Im kleinen Motivationsfilm zum Bistumsjubiläum auf unserer Homepage jongliert der Seelsorger Klaus Gremminger mit den Bällen und spricht dazu:
«Ein Bistum,
das aufs Leben
ganz genau schaut,
das dem Himmel vertraut
und darauf achtet,
dass auch die Kleinen
erscheinen.»
Liebe Festgemeinde
Treffen diese Worte unsere Realität? – Oder wären wir das gerne? Ist es stimmige Zusammenfassung der 175-jährigen Geschichte oder doch vielmehr eine Wunschvision für Gegenwart und Zukunft… Diese Beurteilung muss ich Ihnen und Ihrer Erfahrung persönlich überlassen. Für mich als 11. Bischof von St. Gallen in der 175-jährigen Geschichte sind diese knappen Worte wie ein roter Faden, der all die Phasen der Jahrzehnte durchzieht.
Ein Bistum, das aufs Leben ganz genau schaut...
Schon in der Gründungszeit haben die Verantwortlichen in Kirche und Kanton sich für eine Bistumsorganisation eingesetzt, «die aufs Leben ganz genau schaut». Mit Beharrlichkeit und klarem Blick auf die Bedürfnisse der Menschen bei uns haben sie Grundlagen geschaffen, die im Zusammenspiel von katholisch-hierarchischer Kirchenverfassung und demokratischer Staatsstruktur Glaubens- und Lebensentfaltung ermöglicht.
Mit heutigem Blick auf die Situation der Kirche darf ich feststellen, dass der eindringliche Wunsch von Papst Franziskus für alle Kontinente, dass die Kirche synodaler wird, das heisst Glaubensgemeinschaft auf dem Weg und nahe bei den Bedürfnissen der Menschen, nicht zuletzt durch unsere Bistumsorganisation durch all die Jahrzehnte gefördert wurde.
Meine Vorgänger haben auf die Herausforderungen der jeweiligen Zeit mit grossem Engagement reagiert. Soziale und diakonische Impulse zum Wohl der Menschen haben durch all die Jahre über unsere Bistumsregion hinaus Früchte getragen. Das anerkennen wir heute mit Dankbarkeit. Dass dies auch Grundhaltung unserer Arbeit für die Zukunft bleiben soll, haben wir mit der Gestaltung des Bistumsjubiläums gezeigt. Die Pilgergruppen aus allen Regionen, die 17,5 Tage quer durch die Kantone St. Gallen und beide Appenzell unterwegs waren, zeigen auf eindrückliche Weise, worauf es ankommt: In Gemeinschaft immer neu im Glauben zu suchen, aufs Leben genau zu schauen, miteinander auf dem Weg zu sein. Dies ist die Art, wie wir Kirche für heute leben und in die Zukunft gestalten wollen.
Ich freue mich, dass während dem Jubiläumsjahr so viele Pilgergruppen dieses besondere Projekt mitgetragen haben. Wenn ich heute den Pilgerstab in diesem Gottesdienst übernommen habe, möge dies eine Verpflichtung sein, dass wir im Bistum diesen Weg weitergehen wollen. Nur so können wir in unserer bunten Gesellschaft immer neu Salz der Erde und Licht der Welt werden.
Ein Bistum, das auf den Himmel vertraut…
Liebe Mitfeiernde – wenn wir heute diesen Dankgottesdienst feiern, bezeugen wir, dass wir ein Bistum sind, das auf den Himmel vertraut. Es zählt nicht nur das Pilgern und Wandern in unserer schönen Landschaft, notwendig ist auch eine Pilgerreise in unser Inneres, in die Tiefe, im Glauben zu Gott. Den Weg einer Glaubenssuche und Glaubenserneuerung sind im letzten Jahr viele persönlich und in gemeinsamem Austausch gegangen, angeleitet und begleitet von den grossen Exerzitien im Alltag, aber auch durch die besinnlichen Impulse auf den Pilgerwegen.
Dass Kirche in der Zeit sich mit der Gesellschaft immer verändert und geführt vom Heiligen Geist immer neu die Frohbotschaft Jesu Christi verstehbar verkünden muss, zeigt sich in den zwei vatikanischen Konzilen und den Synoden in den Bistümern und in Rom während unserer 175-jährigen Bistumsgeschichte. In der Akademie zum Jubiläum mit historischen und theologischen Vorträgen haben wir intensiv darüber nachgedacht. Kirche wird in die Zukunft nur Bestand haben, wenn sie den Menschen geistliche Nahrung geben kann.
In Zeiten von lebensbedrohlichen Ängsten, Kriegen, von Unsicherheit und Orientierungslosigkeit brauchen wir ein Vertrauen, das das Leben aufblühen lässt – eine Verheissung, die unsere menschliche Machbarkeit und Klugheit übersteigt, eine Hoffnung, die uns geschenkt ist. Die Vision vom Reich Gottes in der heutigen Lesung aus dem Römerbrief spricht von Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist. «Dem Himmel vertrauen» führt uns auf den Weg, den Abram gegangen ist: Das heisst: Auf Gottes Wort hin ist er aufgebrochen ins Ungewisse – getragen vom Vertrauen, dass ER den Weg in die Zukunft führt. Wir Christen verkünden eine Botschaft, die im Weg Jesu Christi uns verbürgt ist und die auch in einer säkularen Welt Bestand hat.
Wir wissen, dass wir neue Wege finden müssen, diesen Auftrag heute zu erfüllen. In einer hörenden Haltung auf die Menschen, wie der Tagesheilige Bruder Klaus sie uns vorgelebt hat, und auch in ökumenischem Geist können wir mit der nötigen Geduld und Beharrlichkeit den Weg finden.
Einen wichtigen Akzent setzen wir in unserem Bistum und in der ganzen Kirche in der Schweiz in der Anderssprachigenpastoral: Mit Blick auf die Migration und die grosse Mobilität in der Gesellschaft fördern wir eine Seelsorge, die unsere interkulturelle Vielfalt ernst nimmt. Dies erfordert von uns bis in die Seelsorgeeinheiten und Kirchgemeinden hinein ein Umdenken und eine neue Offenheit. Diese Grundhaltung lässt uns erfahren, dass kulturelle Vielfalt auch Bereicherung ist. Ich freue mich deshalb, dass gerade dieser Aspekt an unserem Jubiläum sowohl im Gottesdienst wie im anschliessenden Fest sichtbar wird.
Ja, mögen wir ein Bistum bleiben, das dem Himmel vertraut…
… und das darauf achtet, dass auch die Kleinen – erscheinen.
Die Kleinen, das sind die Kinder, die jungen Menschen, es sind aber auch die Menschen, die besonders auf unsere Aufmerksamkeit angewiesen sind: die Betagten, die Kranken, die Menschen mit einer Beeinträchtigung und jene, die immer um das Nötigste zum Überleben kämpfen müssen. Es sind auch die Menschen in der weiten Welt, die die Heimat wegen Krieg und wirtschaftlicher Not verlassen müssen. Diesen Kleinen hat sich Jesus im Evangelium in besonderer Weise zugewandt. Die 175-jährige Geschichte unseres Bistums ist geprägt von ausgesprochen vielen Menschen, die sich mit ihrem ganzen Leben in diesen Dienst stellten. Eine überdurchschnittlich grosse Zahl von Kloster-, Ordens- und Priesterberufen stammen aus unseren Kantonen. Sie haben bei uns geholfen, im Bildungs- und Gesundheitswesen tragende Strukturen aufzubauen. Viele Klöster und Missionswerke profitierten von tüchtigen St. Gallerinnen und St. Gallern, von Appenzellerinnen und Appenzellern, die ihr ganzes Leben und Engagement in ihren Dienst stellten. Ich spreche heute diesen Gedanken mit hoher Anerkennung aus für den Einsatz dieser Menschen – aber auch mit der Bitte, dass die Verpflichtung zur Verantwortung und Solidarität für die Menschen in Not weltweit und bei uns wach bleibe. Die Bischöfe von St. Gallen haben den Weitblick für die Kirchen- und Lebensgemeinschaft in Europa und in der weiten Welt immer aktiv gefördert.
Liebe Mitchristinnen und Mitchristen
Heute schauen wir mit grossem Dank zurück und fassen neuen Mut für unsere Sendung in der Gegenwart. Möge es uns gelingen, in der Dynamik des Jongleurs die Vision unseres Bistums lebendig zu halten, damit auch für die Zukunft gilt: