In der Schule habe ich den Eindruck, viele Schüler:innen erwarten, dass sie sich nett und brav verhalten sollen. Anständig ist, wer nett und brav mitmacht. Mit der Aufforderung «Sei nett, sei brav» ist oft nichts anderes gemeint, als: «Tu, was ich, die Autoritätsperson, will.»
In der Kirche habe ich den Eindruck, dass oftmals die Erwartung ganz allgemein im Raum steht: «Sei nett und sonst nix!» Die Freundlichkeit zueinander ist da der kleine Bruder der Nächstenliebe, und deswegen darf kein hartes Wort fallen. Der Lack der Friedfertigkeit darf nicht angekratzt werden. Man greift sich lieber mit Samthand-schuhen an.
Ich selbst befürchte, oft zu nett zu sein, weil ich friedliebend und harmoniebedürftig bin. Tue ich etwas, weil es sich jemand von mir wünscht und erwartet, oder weil ich mich entschieden habe, freundlich, hilfsbereit, eben nett zu handeln?
Allein den Vorsatz gefasst zu haben stellt mich jetzt immer häufiger vor die Frage, ob es jetzt richtig wäre nett zu sein oder besser nicht zu nett zu sein.
Mein grosses Vorbild dafür ist übrigens Jesus. Er verliert wenig Zeit damit, anderen zu gefallen. Zum Beispiel kündigt Jesus auf dem Weg nach Jerusalem sein Leiden an. Davon wollen seine Jünger:innen nichts hören. Das ist nicht nett im Sinne von: «Ich erzähle dir nur, was du hören willst.»
Aber andererseits ist es nett im Sinne von: «Ich helfe dir, indem ich dir ehrlich sage, welche Schwierigkeiten auf uns zukommen.» Das ist hilfreich.
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Sternenglanz
Sternenglanz ist ein ökumenischer Blog und Podcast mit spirituellen Gedanken für den Feierabend. Sternenglanz wird präsentiert von den evangelisch-reformierten und römisch-katholischen Kirchen der Kantone SG/AI/AR.