Es ist die Zeit des Übergangs zur dunkleren, düsteren Jahreszeit, genau jetzt setzt die Kirche einen Gegenakzent. Wie viele Katholikinnen und Katholiken werde ich am 1. November die Gräber meiner verstorbenen Angehörigen besuchen, im tröstlichen Glauben daran, dass sie ins helle Licht der Auferstehung Jesu Christi hineingenommen sind.
Für viele Menschen ist der Tod eine Wirklichkeit, die Angst macht. Die Gesellschaft gibt dem Tod nur ungern Raum. Wir haben unsere Verstorbenen geliebt und geschätzt; wir sehen, was alles fruchtbar geworden ist durch ihr Leben. Das behalten wir in dankbarer Erinnerung. Allerheiligen und Allerseelen sind eine Einladung, auf das Leben unserer Verstorbenen zu schauen. Wenn Trauer und Abschiedsschmerz auch noch da sind, ist es heilsam und tröstlich, mit anderen verbunden zu sein.
Für mich hat Allerheiligen auch Bedeutung im Blick auf mein Leben. In den Gottesdiensten wird die Bergpredigt mit den Seligpreisungen gelesen. «Sie sind so etwas wie der Personalausweis der Christen, die uns als Anhänger Jesu ausweisen», dieser wunderbare Satz stammt von Papst Franziskus.
Worum geht es in der Bergpredigt? Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich. Trauernde werden getröstet, den Sanftmütigen das Land vererbt. Wer hungert und dürstet nach Gerechtigkeit, wird satt werden, die Barmherzigen finden Erbarmen. Selig, die rein sind im Herzen, sie werden Gott schauen. Friedensstifter werden Kinder Gottes genannt werden. Denen, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden, gehört das Himmelreich.
Nicht perfekt und fehlerfrei, nicht gesund oder vermögend zu sein macht Menschen zu Heiligen, sondern wie sie auf ihre je eigene Lebenssituation antworten. «Glücklich» zu preisen sind beispielsweise deshalb auch die, die in und an dieser heillosen Welt leiden, ob in schwierigem persönlichen Umfeld oder im Blick auf den drohenden Klimawandel und die Kriege dieser Welt. Ihr jeweiliger Umgang mit den belastenden Umständen macht sie zu Heiligen.
Im Blick auf die Seligpreisungen verschieben sich Massstäbe hinein in eine neue Wirklichkeit Gottes. Im 1. Johannesbrief steht: Ihr seid Kinder Gottes! Mit allem was zu Euch gehört, mit Ecken und Kanten, Krankheit und Stärke, Unfähigkeit und Begabungen.
Das heisst nichts anderes, als dass Gott uns zutraut so miteinander umzugehen, wie er mit uns umgeht. Gott traut uns zu, einander so zu lieben wie er uns liebt. Das heisst zuerst: Ich anerkenne, dass der andere Mensch auch von Gott kommt. Unabhängig von Sympathie kann ich jedem Menschen zugestehen: Du bist Kind Gottes, ich behandle Dich mit Respekt und möchte ebenso behandelt werden.
Wenn ich das versuche, dann bin ich plötzlich imstande zuzuhören, Ruhe zu bewahren, auf Gewalt zu verzichten und Frieden zu fördern.
Wo das gelingt, da entsteht Gottes Welt im hier und heute.
Wir sind Heilige Gottes und wir feiern das Fest Allerheiligen im Gedenken an unsere Verstorbenen und zugleich, weil es uns erinnert, wohin wir gehören. Allerheiligen ist das Fest der Menschen, die ganz auf Gott setzen und sich immer von Neuem öffnen für Gottes Geist und Lebenswillen.
Mit herzlichen Segenswünschen,
Bischof Markus Büchel