Am geologisch, botanisch und kulturhistorisch interessanten Hügel über Berschis führte Hanspeter Schumacher, ehemaliger Leiter Botanischer Garten St.Gallen, ein Dutzend Teilnehmende in die Geheimnisse hochspezialisierter und oft übersehener Pflanzen ein.
Von der Kirche im Tal ging es teils steil hoch bis zur markanten, gut sichtbaren, weissen St. Georgskapelle, die wohl viele schon von weitem gesehen, aber nie besucht haben. Sie ist die älteste Kapelle im Kanton St.Gallen, auch wenn im Laufe der Jahrhunderte viel verändert wurde, sind immer noch Gewölbe aus dem 11. oder 12. Jahrhundert zu sehen sowie wunderbare Fresken. Ein Besuch lohnt sich, der Schlüssel muss jeweils besorgt werden. Die Kontaktdaten finden sich unter www.sesowa.ch.
Ein Fressparadies
Hanspeter Schumacher zeigte auf dem Weg nach oben eindrückliche Beispiele von Pflanzen, die sich den geologischen Gegebenheiten am eher trockenen Berg perfekt angepasst haben und wies auch auf Spezialitäten der Vermehrung hin. Um die Bildung von Früchten sicherzustellen, hat beispielsweise der Gefleckte Aronstab erstaunliche Vorkehrungen getroffen: Seine unscheinbaren Blüten sitzen von einem tütenartigen Hochblatt verhüllt an der Basis eines duftenden Kolbens, dessen Spitze aus diesem Blütenstand herausragt. Von den Duftstoffen angelockte winzige Mücken gleiten am glitschigen Kolbenende aus und fallen in die Kesselfalle. «Sozusagen direkt ins Fünf-Stern-Wellnesshotel», veranschaulichte der Referent. Denn die Falle entpuppt sich als kleines Fressparadies, geschützt vor Feinden. Zuerst werden die Mücken regelrecht von Blütenstaub überschüttet, dann wieder freigelassen. Mit Blütenstaub am Körper suchen sie aufgrund der tollen Erfahrung flugs den nächsten Blütenstand auf, wo sie unbewusst die nächsten weiblichen Blüten an der Kolbenbasis bestäuben.
Gegen Verkalkung
Aus winzigen Spalten an kahlen Kalksteinfelsen, wo andere Pflanzen längst versagen, spriesst der polsterförmige Trauben-Steinbrech aufs schönste. «Diese erfolgreiche Flucht vor konkurrenzstärkeren Pflanzen hat den Nachteil, dass der Felsbewohner weit mehr Kalk aufnehmen muss als für ihn gesund ist», erklärte Hanspeter Schumacher. Der Botaniker weist auf weisse Blattspitzen hin. Der Mauersteinbrecht scheidet den schädlichen Kalk-Überschuss an speziellen Öffnungen an den Blatträndern aus. Damit werden die Blattflächen vom abgesonderten Kalk weiss gefärbt, womit sich die Polsterpflanze vor übermässiger Sonnenstrahlung und damit vor zu grossen Wasserverlusten schützt.
Blume mit Notvorrat
Wer schaut schon genauer hin, wenn Hahnenfuss auf einer Wiese wächst? Dabei ist die Blume Teil einer erstaunlich grossen Familie. In der Schweiz allein treten über 30 Hahnenfuss-Arten auf. Damit sie sich nicht gegenseitig aufs schlimmste konkurrenzieren, ist jede Art auf einen unterschiedlichen Lebensraum spezialisiert: Der Scharfe Hahnenfuss auf Fettwiesen, das Scharbockskraut (botanisch auch ein Hahnenfuss) auf Hecken und Waldränder und der Knollige Hahnenfuss auf trockene Magerwiesen wie am St.Georgsberg. «Seine unterirdische Speicherknolle hilft ihm, Durst- und Hungerstecken schadlos zu überstehen», sagt Hanspeter Schumacher und zeigt den Teilnehmenden dieses System an einer Pflanze.
Die Absinth-Pflanze
Viele weitere botanische Kleinode sehen die Teilnehmenden an der Exkursion auf den St. Georgsberg, unter anderem Wermut, aus dem die berühmte Grüne Fee, der Absinth produziert wird. Oder herrliche, über 100-jährige Traubeneichen. Hanspeter Schumacher versteht es, auch auf kleinste, vermeintlich unscheinbare aber hochspezialisierte Blümchen oder Gräser hinzuweisen. Immer wieder Staunen, Freude an den Wundern der Schöpfung und eine tolle Aussicht, es war eine sehr lohnenswerte Exkursion, und es geht weiter!
Wir freuen uns, dass Hanspeter Schumacher auch die weiteren Anlässe es ersten Sonderjahres der Gruppe «Kirche Umwelt Schöpfung» gestalten wird:
Friedhof als Lebensraum für Pflanzen und Tiere: Mittwoch, 18. Mai, 19 bis 21 Uhr, Ostfriedhof St.Gallen (Besammlung vor der Kapelle).
Ökologische Aufwertung Klostergarten Maria Hilf, Altstätten: Mittwoch, 8. Juni, 19.15 Uhr bis 21 Uhr. Besammlung vor der Klosterpforte.
Heilpflanzen und Gemüse im einstigen Klostergarten, Probstei, Alt St.Johann: Donnerstag, 23. Juni, 19 Uhr bis 21 Uhr.
Artenvielfalt im Klostergarten des Klosters Mariazell Wurmsbach: Samstag, 13. August, 14.15 Uhr bis 16.30 Uhr. Wir danken der Schwesterngemeinschaft, dass wir ausnahmsweise einen Anlass in der Klausur des Klosters durchführen dürfen. Besammlung vor der Klosterkirche.
Alle sind herzlich zu den Anlässen eingeladen. Die Teilnahme ist unentgeltlich, eine Anmeldung nicht nötig. Die Anlässe finden bei jeder Witterung statt, bitte entsprechend ausrüsten.
Alle Infos: https://www.bistumsg-umwelt.ch/