"Glaube kann die Welt verändern".
Die statistischen Angaben klaffen weit auseinander: zwischen 60 und 130 Millionen Christinnen und Christen leben in China. Sicher ist: die Kirchen wachsen rasant. Auch in der Schweiz treffen sich chinesisch stämmige Christen regelmässig.
Lifei Rüttimann (39), seit dreizehn Jahren in St. Gallen daheim, ist als evang.-ref. Christin in Peking aufgewachsen, vor drei Jahren hat sie sich der katholischen Kirche zugewandt. „Sakramente, Liturgie und Geschichte haben mich tief berührt“ sagt sie, ohne die evangelische Kirche in irgendeiner Weise abzuwerten. „Es war für mich ganz persönlich der sinnvollere Weg.“ Die Ärztin für chinesische Medizin hat auch Germanistik studiert, ein Plus für Leben und Arbeiten in der Schweiz. Liebe war der Grund, dass Lifei Rüttimann – der Nachname sagt es – nicht in ihre Heimat zurückkehrte. Sie gehört zu den mehreren Dutzend katholischen Chinesen, die sich regelmässig treffen zu Bibelstudium, Einkehrtagen und Gottesdiensten. „Und wir teilen miteinander, was im Leben passiert“, erzählt die St. Gallerin. Seelsorgerin für die ganze Schweiz ist die Theologin Rita Chen Baumann aus Küssnacht a.R..
Beschränkte Religionsfreiheit
Die in der Schweiz selbstverständliche Religionsfreiheit ist in China für Christen und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften eingeschränkt, obwohl die Verfassung diese eigentlich garantiert. Im 16. Jahrhundert kamen die ersten Missionare nach China. Seit dem Gründungsjahr der Kommunistischen Partei 1949 und besonders nach der von Mao Zedong ausgelösten Kulturrevolution (1966-1976) wurde religiöses Leben systematisch unterdrückt. „Viele zogen sich in den Untergrund zurück“, erzählt Lifei Rüttimann. Ihre Familie traf sich in Hauskreisen, getauft wurde sie erst vor einem Jahr in der Schweiz. Wie die Mitglieder der evangelischen und freikirchlichen Gemeinschaften (zwei Drittel der Christen in China) leidet auch die katholische Kirche unter staatlichen Repressionen, die wenigsten lassen sich deshalb offiziell registrieren.
Spannungen Vatikan-China
Die Beziehungen zwischen dem Vatikan und China sind spannungsreich. Peking verlangt von den Katholiken die Zugehörigkeit zur «Patriotischen Vereinigung», die statt des Papstes die Partei als höchste Instanz anerkennt. Seit Jahrzehnten existiert die offizielle, „patriotische Kirche“, für die der Staat Bischöfe ernennt. Und es gibt die papsttreue und vom Vatikan anerkannte Untergrundkirche. Ihre Mitglieder und Geistlichen leiden unter Repressionen. „In erster Linie sind da Menschen, die zur Kirche gehören möchten“, betont Lifei Rüttimann. Sie spüre eine Annäherung beider Seiten, für die Gläubigen an der Basis spiele die Unterscheidung kaum mehr eine Rolle. In den neuen Staatspräsidenten Xi Jinping, er wurde am 14. März gewählt, setzt Lifei Rüttimann Hoffnungen für die Stärkung der Religionsfreiheit.
Immenses Wachstum
Sie besuchte an Weihnachten ihre Familie in Peking und erlebte die Taufe von 300 Menschen im Alter zwischen drei und 80 Jahren in einem einzigen Gottesdienst. Die kirchliche Infrastruktur ist diesem Zulauf nicht gewachsen. „Peking hat 13 Millionen Einwohner, vier katholische Kirchen und ein evang.-ref. Gotteshaus“, veranschaulicht die Ärztin. Dazu kommen geschätzte 3000 Hauskirchen/Untergrundkirchen. Was macht das Christentum so attraktiv? Für Lifei Rüttimann ist die noch eher neue „Religion freie Wirtschaft“ die einher geht mit wachsender sozialer Kälte und immenser Umweltzerstörung ein Grund. „Die Menschen suchen nach Werten, die weder über Reichtum noch über die Partei vermittelt werden können“, sagt sie. Es fehle an Orientierung in einer sich rasend verändernden Welt. Lifei Rüttimann hofft, dass Christen und Angehörige anderer Religionsgemeinschaften etwas zum Guten verändern können, mit Nächstenliebe, für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung. „Glaube kann die Menschen verändern“.
Weltgebetstag für China Am Freitag, 24. Mai, 19.15 Uhr, Schutzengelkapelle (gegenüber Kathedrale St. Gallen) sind alle herzlich eingeladen zum ökumenischen Gottesdienst mit Bischof Markus Büchel, Pfarrer Christoph Waldmeier, Beauftragter Chinabeziehungen Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund. Mitwirken wird auch Dompfarrer Beat Grögli. Er ist in St. Gallen Dekanatsdelegierter für die Anderssprachigen-Seelsorge und hat einige Kontakte auch zu chinesischen Christinnen und Christen in St. Gallen. Getragen wird der Anlass von der Ökumenischen Gesellschaft Schweiz-China (ÖGSC). Sie setzt sich für die Beziehungen der Kirchen und Christen dieser beiden Länder ein. |