Üben statt verbieten
„Spiritus Sanctus“ - Information und Diskussion „Alkohol in der kirchlichen Jugendarbeit“
„Dass Alkohol keine Probleme verdrängt und schädlich sein kann, glauben viele Jugendliche nicht einfach so, sie wollen es ausprobieren“, sagte Damian Caluori, Leiter Beratungsstelle Suchtfragen Appenzell-Ausserrhoden am Diözesanforum kirchliche Jugendarbeit. 100 Seelsorgende, Jugendarbeiter und Mitglieder von Pfarrei- und Kirchenverwaltungsräten beschäftigten sich am Anlass der Fachstelle für Jugendarbeit im Bistum St. Gallen mit Hochprozentigem.
In Referat von Damian Caluori, in der Podiumsdiskussion und in Erfahrungsberichten aus Firm- oder Jugendlagern wurde deutlich: ein Alkoholverbot in Jugendgruppen oder auf dem Firmweg ist kaum kontrollierbar und nicht sinnvoll.
Gefährliche Softdrinks
Damian Caluori präsentierte erschreckende Zahlen zum Thema Alkoholkonsum in der Schweiz. 300‘000 alkoholabhängige Menschen leben in unserem Land, indirekt sind 700'000 weitere Personen wie beispielsweise Familienmitglieder betroffen, sprich jede(r) 8. Einwohner(in). Bei manchen Jugendlichen ist „Komasaufen“ eine höchst gefährliches „Hobby“. Verschärft wird die Situation durch zuckersüsse und gleichzeitig hochprozentige „Softdrinks“. Dass Jugendliche über die Stränge schlagen und sich betrinken ist auch in allen Bereichen kirchlicher Jugendarbeit schon vorgekommen. Regeln werden gebrochen, junge Leute sind findig darin, Alkohol zu verstecken.
Hirnreifung noch ungenügend
Nachahmung, Gruppendruck, Frust, schwierige Berufsentscheidungen, die Pubertät: Damian Caluori nannte viele Gründe, die den Umgang mit Alkohol gerade für junge Menschen zur echten Herauforderung werden lassen. Physisch ist in der Adoleszenz die Fähigkeit situationsangepasst zu steuern noch ungenügend. Erwachsene ab ca. 18 Jahren mit abgeschlossener Hirnreifung sind eher fähig zu planen. Beispielsweise: „Ich muss fahren, ich trinke nur ein Glas“. In seinen Beratungen übt Damian Caluori mit den Jugendlichen zu überlegen, wie sie sinnvoll auf Alkoholangebote reagieren können.
Alkohol mit Mass
In der Podiumsdiskussion diskutierten Jugendliche, Jugendarbeiter, Firmbegleiter und Jungwacht-Leiter über ihre Erfahrungen mit dem Thema Alkoholkonsum und –missbrauch. Konsens war, dass es sinnvoll ist, Alkohol im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben und nach bestimmten Regeln zu erlauben. „Wir verkaufen an über 16-jährige Bier“, sagt eine Jugendtreff-Leiterin. Wer draussen schon „vorgeglüht“ hat – also einen offensichtlich erhöhten Alkoholpegel mitbringt – wird vor die Türe gestellt. Im Jubla-Lager ist für die Leiter(-innen) klar: kein Alkohol vor den Kindern, sondern wenn, dann erst am Abend im Leiterhöck und mit Mass. Alle sind selber dafür verantwortlich, dass sie am nächsten Tag fit und einsatzfähig sind. Wenn nicht, dann hat das Verhalten auch im Jubla-Lager Konsequenzen.
Üben statt verbieten
Die Erfahrungen mit Regeln sind mehrheitlich gut, den Teilnehmenden ist klar: Wer Komasaufen will, beispielsweise im Firmlager, der findet einen Weg dazu. Aber er oder sie reist umgehend nach Hause und das auf eigene Kosten. Auf dem Diskussionspodium war man sich einig: Besser als Verbote ist, mit den Jugendlichen den Umgang mit Alkohol zu üben. Beispielsweise ein Glas Wein zum Essen zu geniessen, aber mehr nicht. So wird Alkohol - das Wort kommt aus dem Arabischen und bedeutet „das Feinste“ - tatsächlich zu einem Genuss- und nicht zu einem Suchtmittel. Statt Alkohol zu verteufeln braucht es in der Jugendarbeit eine ehrliche und realistische Auseinandersetzung mit dem Thema. (Sabine Rüthemann/inf.)
Bildlegenden: Benni Müggler, Fachstelle Jugendseelsorge Bistum St. Gallen, moderierte die Podiumsdiskussion.
Das Team der Fachstelle Jugendarbeit im Bistum St. Gallen (DAJU) lud zum Diözesanforum „Spiritus Sanctus“ ein. V.l.: Benni Müggler, Linus Brändle (Stellenleiter) und Priska Filliger Koller.
Referent Damian Caluori.