Der Kanton St. Gallen und die Religionsgemeinschaften lancieren vom 5. bis 11. September die Interreligiöse Dialog- und Aktionswoche (IDA). Die IDA soll im ganzen Kanton ihre Spuren hinterlasssen. Eine "St. Galler Erklärung für das Zusammenleben der Religionen" wird verabschiedet.
Die Broschüre „Ideen für Projekte“ gibt Anregungen und Hilfe für verschiedenste Veranstaltungen. Sie ist an Pfarreien, Kirchgemeinden, Vereine, Schulen, Bibliotheken, Arbeitgeber sowie an Kinos verschickt worden.
Das Schlussdatum der IDA, 11. September, ist nicht zufällig gewählt. Seit den Attentaten auf die Twin-Towers in New York werden vor allem Musilime als Bedrohung empfunden. Im Kanton St. Gallen hat insbesondere der Mord am engagierten Reallehrer Paul Spirig im Jahr 1999 Politiker und Behörden aufgeschreckt und grosse Defizite in der Integrationspolitik aufgedeckt. Er war von einem Kosovo-Albaner erschossen worden. Diese Bluttat hatte politische Folgen: Integrationsberichte wurden erstellt und die Stelle eines kantonalen Integrationsbauftragten geschaffen. Ängste vor einer Islamisierung sind dennoch gross. Dies zeigen Einbürgerungsentscheide in St. Galler Gemeinden, die Einbürgerungsgesuche von Muslimen ablehnten.
Die IDA möchte hier ansetzen. Es geht aber nicht allein um den Islam, sondern um alle Religionen. Regierungsrätin Kathrin Hilber ist überzeugt, dass es ohne Dialog als „kultivierteste und höchste Form des Gesprächs“ keine gemeinsame gesellschaftliche Entwicklung gibt. „Menschen aus anderen Kulturen können eine Bereicherung für unsere Gesellschaft sein“, sagt Bischof Ivo Fürer. Hisham Maizar vom Dachverband Islamischer Gemeinden der Ostschweiz weiss, dass Muslime der ersten Generation sich noch sehr stark abgeschottet haben. Die zweite und dritte Generation jedoch ist seiner Meinung nach in der überwiegenden Mehrheit hoch motiviert, sich zu integrieren. Dölf Weder, Kirchenratspräsident der Evangelisch-Reformierten Kirche des Kantons St. Gallen zieht den Vergleich mit der Annäherung zwischen den Landeskirchen: „Interreligiöses Zusammenleben und interreligiöser Dialog sind für uns Kirchen und Religionsgemeinschaften die grosse Herausforderung des 21. Jahrhunderts – so wie es im 20. Jahrhundert die Ökumene war“.
Am Samstag, 10. September werden die Religionsgemeinschaften auf dem Klosterhof in St. Gallen eine gemeinsam verfasste „St. Galler-Erklärung für das Zusammenleben der Religionen“ verabschieden. Weitere Informationen unter www.enzian.ch.
Wörtlich:
„Ohne Dialog gibt es keine gemeinsame gesellschaftliche Entwicklung. Diese Überzeugung prägt meine politische Arbeit jeden Tag. Weil der Dialog die kultivierteste und höchste Form des Gesprächs ist, setze ich immer auf ihn. Zuhören, sich mitteilen, nachfragen, antworten, verstehen, Empfindungen und Gedanken in eigene Worte kleiden, das zeichnet den Dialog aus. Wer kann religiöse Werthaltungen anderer Menschen schon verstehen, wenn nicht das Gespräch hinführt zu den Symbolen, Bedeutungen und religiösen Weltanschauungen? Wir sind privilegiert, weil sich in unserem Kanton Menschen aus unterschiedlichen Religionen im Dialog den Werthaltungen anderer Religionen annähern wollen, dies aktiv tun, Gelegenheiten schaffen und dazu einladen. Ich freue mich auf die interreligiöse Dialog- und Aktionswoche!“
Kathrin Hilber, Regierungsrätin
„Als Stadtrat in St.Gallen, zuständig für die Direktion Soziales und Sicherheit, bin ich tagtäglich mit der wachsenden kulturellen Vielfalt in unserer Stadt konfrontiert. Es ist mir ein Anliegen, dass die Unterschiede zwischen den Kulturen und insbesondere der Religionszugehörigkeit nicht zu Trennlinien oder gar zu Gräben werden. Die Toleranz auf der Basis unserer Gesetze und die Offenheit gegenüber anderen Kulturen machen den Dialog erst möglich. Diese interreligiöse Dialogwoche kann dazu beitragen, dass wir uns in den Quartieren und in der Stadt St.Gallen als würdige und hilfsbereite Nachbarn begegnen, unabhängig von der kulturellen und religiösen Herkunft.“
Hubert Schlegel, Stadtrat St.Gallen
„Menschen aus verschiedenen Ländern, Kulturen und Religionen leben in unserem Kanton. Manche Mitbürgerinnen und Mitbürger ängstigen sich, weil sie Fremdes als Bedrohung empfinden. Anders denkende und fühlende Menschen können uns aber auch bereichern. Dazu müssen wir uns über alle kulturellen und religiösen Unterschiede hinweg besser kennenlernen. Diesem Ziel dient die interreligiöse Dialog- und Aktionswoche ida. Darum begrüsse ich diese Initiative sehr.“
Ivo Fürer, Bischof des Bistums St.Gallen
„Interreligiöses Zusammenleben und interreligiöser Dialog sind für uns Kirchen und Religionsgemeinschaften die grosse Herausforderung des 21. Jahrhunderts – genau so wie es die innerchristliche Ökumene im 20. Jahrhundert war. Weder Ausgrenzen des uns Fremden, noch sich Abschotten gegen das Andere sind zukunftsfähig. Es gilt, unsere religiösen und kulturellen Überzeugungen in ein dialogisches, sich gegenseitig verstehendes Zusammenleben einzubringen. Wir sind aufgerufen, auf dem Hintergrund unseres je eigenen Glaubens Beiträge zu leisten für eine vielfältige, respektvolle und bestmöglich integrierte Gesellschaft auf der Basis grundlegender humanitärer Werte. IDA bietet dazu eine exzellente Gelegenheit.“
Dölf Weder, Kirchenratspräsident der Evangelisch-reformierten Kirche des Kantons St.Gallen
„In den letzten 40 bis 50 Jahren hat sich die Gesellschaft hierzulande recht stark verändert. Sie ist pluralistischer, multikultureller, multiethnischer und vor allem multireligiöser geworden. Derartige Veränderungen könnten die Gesellschaft polarisieren und das Zusammenleben in ihr erschweren. Missverständnisse, Vorurteile, Misstrauen und Ängste wären die Folgen. Als Teil dieser Gesellschaft ist es auch für uns Muslime eine prioritäre Aufgabe, zur friedlichen Koexistenz in der Gesellschaft durch kontinuierlichen interreligiösen Dialog, Transparenz und uneingeschränkte Kooperation unseren Beitrag leisten. IDA ist hierfür Rahmen und Gelegenheit.“
Hisham Maizar, Präsident DIGO