Der Seelsorgerat wird ein Impulsdokument zum Thema Liturgie erarbeiten. Es soll den Pfarreiräten als Arbeitshilfe dienen. Dies wurde nach der letzten Sitzung in Jona beschlossen. Dr. Helga Kohler-Spiegel hielt ein Referat zum Thema: "Gottesdienst und Eucharistie – religionspädagogische Überlegungen".
Was gefällt mir am Gottesdienst? Welche Elemente sprechen mich an? Was hebt eine Eucharistiefeier von anderen Gottesdiensten ab?Was gefällt mir gar nicht? Zu diesen Fragen schrieben die Mitglieder des Seelsorgerates an der Sitzung vom 22. Januar ihre Gedanken auf und diskutierten anschliessend im Plenum. Einleitend hatte Dr. Helga Kohler-Spiegel, Leiterin Amt für Katechese und Religionspädagogik, ein Referat gehalten. Es wird nachfolgend im Wortlaut publiziert:
"Ich freue mich, hier bei Ihnen zu sein. Seit gut vier Monaten bin ich in St. Gallen als Leiterin des Amtes für Katechese und Religionspädagogik tätig. Ich bin selbst Religionspädagogin, mein religionspädagogischer Hintergrund wird auch meinen Zugang zum Thema prägen.
1. Zugang:
Es hat sich viel – es hat sich zu viel verändert
Gottesdienst – Liturgie: Selbstverständlich – wir wissen um die Instruktion Redemptionis Sacramentum (25.3.04), wir kennen die Fragen, wer was wann tun darf und wer wann nicht nicht tun dürfte und trotzdem tut... Die Schweizer Bischöfe haben soeben im Jänner 05 ein „Wort“ dazu herausgegeben, sie haben eine positive Bilanz 40 Jahre nach dem Konzil gezogen, die Betonung der Bibel, die Veränderung der Sprache, die aktive Beteiligung der Glaubenden, die Öffnung der Liturgie auf vielfältige Formen – es hat sich wirklich viel verändert. Und das war gut so.
Aber: Es hat sich mehr verändert, als uns lieb ist. Die Tradition des wöchentlichen Gottesdienstes am Sonntagvormittag ist gelebte Praxis einer kleineren Gruppe von Menschen, vor allem von Menschen über 50 Jahren. Wer nie im Rhythmus des wöchentlichen Feierns gelebt hat, findet oft schwer einen Zugang. Wer einmal aus dem regelmässigen Rhythmus des Gottesdienstes heraus gefallen ist, findet selten wieder zurück. Gottesdienst ist dann etwas für besondere Anlässe (Weihnachten, Hochzeiten…), Menschen kommen, suchen vielleicht ein wenig Ruhe, wollen Zeugnisse einer Hoffnung erleben, die sie zum Teil selbst nicht mehr teilen…
Wir können einander Beispiele erzählen, die die Spannung der gegenwärtigen Situation widerspiegeln: Ein Begräbnis – eine 17jährige, aus dem Leben gerissen, innert zwei Tagen gesund und tot – niemand hat Worte. Dann das Begräbnis in der Kirche und ein Auferstehungsgottesdienst, ganz viele junge Menschen, in Kleidung und Haarfarben, wie wir sie sonst nicht in der Kirche gewohnt sind, sie wollen auch ein paar Worte sprechen, sie haben Musik dabei, die die Freundin gerne gehört hat... Pink Floyd und Jethro Tull und ähnliches. Wer wagt zu urteilen über vieles, was auch mir ungewohnt war.
Es gibt sie - die positiven, die gelungenen Beispiele von Liturgien. Viele Menschen aber erleben die Eucharistie nicht mehr als Kraftquelle, sondern als langweilig, in der Sprache nicht berührend….
2. Im Wirrwarr der Begriffe:
Ritual-Ritus und Sakrament
Religionspädagogisch muss ich einige Begriffe einbeziehen, wenn es um Gottesdienst und im konkreten um Eucharistie geht. „Liturgie“ stammt als Wort aus dem antiken Griechenland, „leiturgein / leiturgia“ meint „die unmittelbare Verrichtung von ganz bestimmten Diensten für das Gemeinwesen.“ Symbol und Ritual, Ritus und Sakrament sind zu erwähnen –ich mache es sehr kurz: Riten (Grundordnung) sind „symbolische Ordnungen“, kollektive Symbolhandlungen, die ausgerichtet sind am Bedürfnis des einzelnen, integriert zu sein in gemeinsam geteilte Handlungsmuster, die Emotionen erlauben und steuern. Z.B. eine stille Messe. Sakramente werden als „Realsymbole, als realisierende Zeichen“ verstanden, Wort und Symbol stehen in einem „Handlungszusammenhang, der sich als dramatisches, die Teilnehmer verwandelndes Spiel beschreiben lässt.“ (Nocke) Ein uns verwandelndes Spiel – Spiel ist hier im philosophischen Sinn des Wortes verwendet für ein nicht-verzwecktes Tun, keine Absicht, kein Ziel, nur Freude am Gemeinsamen, an der Vertiefung im Tun…- uns verwandelnd, das ist wohl das Wichtigste dabei. Welche Eucharistiefeier haben Sie „verwandelt“ verlassen? Ein bisschen gnädiger mit sich und der Welt, ein bisschen getrösteter, ein bisschen gelassener?
3. Eucharistie – ein paar Aspekte
Sakramente verbinden mit ihrer anthropologischen, christologischen, ekklesiologischen und eschatologischen Dimension Mensch und Gott auf kommunikative Weise. Uns beschäftigt heute die Eucharistie – ein / das zentrale Sakrament. Machen wir es auf dem Hintergrund des bisher Gesagten konkret:
Einen Platz haben Am gemeinsamen Tisch einen Platz haben, einen Platz, an dem mir wohl ist, nicht übrig sein – aus Kindertagen kennen wir das, wie wichtig es ist, meinen Platz zu haben, „da sitze ich“. Oder schmerzhaft: drei Kinder, die kleinen beiden sind schon vor dem Aufstehen noch kurz zu den Eltern ins Bett gekrochen, der „Grosse“ kommt ins Zimmer, sieht beide Eltern „besetzt“ und geht wieder – keinen Platz haben, das kann sehr wehtun. Diese Erfahrungen verbinden wir mit Jesus und mit der Erfahrung derer, die so leben wollen, wie Jesus gelebt hat: Hier haben wir einen Platz - immer. Und einen Platz beim gemeinsamen Mahl, diesen erleben wir jetzt schon, manchmal, gebrochen. Er ist uns zugesagt auf das Ende der Zeit hin. Juden sagen deshalb, ein Grab muss ewig sein. Einen Platz haben – das ist eines der Kernthemen der Bibel: Der Hymnus am Anfang der Bibel (Gen 1) handelt unter anderdem davon, dass alle Lebewesen einen Platz haben auf der Welt – am 6. Tag: Die Vögel haben den Himmel, die Fische das Wasser, und dem Menschen ist die Erde gegeben. Bald schon verliert der Mensch seinen Platz, er wandert heimatlos auf der Erde. Der „Ich-bin-da“ zeigt sich vor allem in diesen Weg-Geschichten, er will wieder einen Platz geben, das Land in dem Milch und Honig fliessen. Jesus sagt von sich (in der Überlieferung der Evangelien): Der Sohn der Menschen hat keinen Platz, wo er sein Haupt hinlegen kann, er kam bei Freunden unter, bei Petrus und seiner Frau, bei Maria und Martha und Lazarus, und wohl noch bei anderen auch. Er, der keinen Platz hat, hat am Ende einen Platz am Kreuz und im Grab, das zugleich auch wieder leer ist…. Einen Platz haben am Tisch – es ist eine revolutionäre Feier, unsere Eucharistie. Vielleicht fängt Eucharistie an, wenn wir zu jemandem, der nicht hergehört, sagen: Komm, setz dich her – im Gasthaus, in der Nachbarschaft, für Kinder und Jugendliche in den Schulklassen, in den Cliquen, auf dem Pausenhof…
Gemeinschaft und Begegnung
Selbstverständlich gehören zu „einen Platz haben“ auch die Erfahrung von Begegnung miteinander und Gemeinschaft untereinander. Gottesdienst ist feiernder Ausdruck für das Gemeinsame, das Christinnen und Christen miteinander verbindet. Dass es schwierig ist, die Erfahrung von Gemeinschaft zu ermöglichen, wo Menschen keine Gemeinschaft leben, ist klar. Meine Mutter, die seit 1954 im selben Stadtiertel wohnt, die dort lebt und sich bewegt, für sie ist ein Gottesdienst Erfahrung von Gemeinschaft, es sind die Menschen, die manchmal einen Besuch gemacht haben während der letzten Pflegewochen vor dem Sterben der eigenen Mutter, die sich ‚mal als Babysitter für die Enkel eignen…
Danke sagen
Mit der Eucharistie sagen wir „danke“, wir feiern das Danke-sagen. Eine Silberhochzeit, zur Einladung ins Gasthaus und zum Ausflug ist ein Gottesdienst angesagt, die Eltern sind praktizierend, die jungen erwachsenen Kinder manchmal, an den hohen Feiertagen, den Eltern zuliebe. Sensible Worte, die auch die Schwierigkeiten einer Ehe nicht verharmlosen, die genau diese Schwierigkeiten aber auch nicht einfach in den Bussakt packt, sondern die glücklichen und die schwierigen Tage gehören zur Geschichte dieses Paares… Ein paar schöne Lieder… Danke sagen – im wahrsten Sinn.
4. Eine Sprache finden für das, was ich glaube / wir glauben
Wie reden wir verständlich über das, was wir da feiern? Ich rede gerne von „verdauter Theologie“, ich zeige Ihnen ein paar Spuren aus meiner Sicht auf:
Ein Ritual, das für jüdische Menschen vertraut war, seit jeher sprechen gläubige Jüdinnen und Juden vor der Mahlzeit den Segen auf das Brot, nach dem Essen den Segen auf den Wein. Auch Jesus praktiziert das. Dieses Ritual, diese Symbole werden einbezogen in die Feier Jesu mit seinen Freunden vor dem Sterben. In dieser Situation verdichtet sich die ganze Botschaft Jesu: Beginnend mit dem Ruf „Kehrt um! Das Reich Gottes ist nahe/ ist da!“ ist das Leben Jesu die Konkretisierung dieses Rufes. Die Evangelien können so gelesen werden: Gott, der Ich-bin-da, hat ein Gesicht bekommen und ist ungebrochen da: in Jesus. In der Fusswaschung – symbolisch von Johannes in die Zeit vor dem Sterben gesetzt – wird nochmals deutlich, was der Ruf vom Anfang meint: Kehrt um! Das Reich Gottes ist nahe/da. – Einer diene dem anderen…
Dann die Zeichenhandlung. Brot und Wein, die Gaben Gottes, die Frucht der Erde und der menschlichen Arbeit, ganz konkret. Den menschlichen Zugang (die anthropologische Seite) haben sicher manche von uns schon erlebt: Ein Mensch ist mir sehr lieb. Ich habe ihn ins Herz geschlossen. Gemeinsam haben wir – immer wieder – zusammen gegessen und getrunken. Religiös, wie dieser Freund war, hat er vor dem Essen den Segen auf das Brot und nach dem Essen den Segen auf den Wein gesprochen, wie das jeder praktizierende Jude tun würde. Nun – eine Trennung, das Sterben haben bewirkt, dass dieser Mensch sein Leben nicht mehr mit mir teilen kann. Und – fast bin ich versucht zu sagen – selbstverständlich werde ich nun den Segen auf Brot und Wein sprechen, wenn wir beieinander sitzen, werden wir beim Segen an ihn denken, er wird gegenwärtig sein…
Das ist eine Ebene der Eucharistie. In diesen Gaben Brot und Wein ist Jesus als Gabe enthalten. Die Identifizierung mit Jesus selbst sprengt die rationale Vernunft, im Gottesdienst selbst sagen wir: es ist ein Geheimnis, ein Mysterium, das sich im Glauben erschliesst. Und doch: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ - das entlässt uns nicht. „Zum Gedächtnis“ heisst ja zuerst: Vergegenwärtigen. Also – macht gegenwärtig, was damals war. Paulus hat das sehr prägnant formuliert – v.a. an die Gemeinde von Korinth: Lebt, was ihr da feiert. Ihr könnt nicht in Brot und Wein Jesus gegenwärtig feiern wollen, ohne gegenwärtig zu leben, was Jesus gelebt hat… Ihr seid sein Leib, als der ihr weiterlebt, was Jesus gelebt hat. Wie sollen die Menschen, die Jesus nicht mehr persönlich erlebt haben, Jesus kennen lernen – das geht nur, indem ihr so lebt wie er, dann können die Menschen an euch sehen, wie Jesus ist. 1 Kor 12 – ein unverzichtbarer Text.
Nun ja – es gibt weitere Aspekte, wir könnten auch breit ausfalten, was im Verlauf der Theologiegeschichte zur Eucharistie gedacht wurde, welche Begriffe für das Nachdenken gefunden wurden. Sicher aber ist: Wenn wir als Erwachsene, wenn wir als praktizierende Christinnen und Christen nicht mehr sagen können, was wir da feiern und tun, wie sollen dann Kinder und Jugendliche heute mit vollziehen können, was die Bedeutung der Eucharistie ist.
Eucharistie – das ist nicht primär ein Problem von Kindern und Jugendlichen, sondern der Erwachsenen-Generation. Bereits meiner Generation ist der Gottesdienst über weite Strecken fremd geworden, bestimmte Zeiten, bestimmte Orte für das Feiern ja, aber regelmässig ?! Wir haben nur wenig Sprache, behaupte ich, für das, was wir glauben und feiern. Mich in meiner Religiosität, in meiner Hoffnung und in meiner Sehnsucht verständlich zu machen, ist nicht einfach, weil die tradierte Sprache oft nicht mehr unsere eigene ist.
5. Und die nächste Generation?
Wie begleiten wir Kinder und Jugendliche?
Zwei Vorbemerkungen: Erstens: Wir leben in einer Zeit des „Aushandelns“, Familien werden als Aushandelfamilien bezeichnet. Die Erwachsenengeneration kann nicht mehr einfach festsetzen, was richtig und gut ist, sondern immer wieder neu muss ausgehandelt werden, was gilt. Diejenigen unter Ihnen mit heranwachsenden Kindern kennen das. Zweitens: Im Prozess der Sozialisation ist es nicht der Fall, dass die nächste Generation einfach übernimmt, was die Erwachsenen vor ihnen gemacht haben. Sozialisation ist immer ein verschlungener Prozess von Übernahme, Veränderung und Vergessen. Manches bleibt, weil es auch der nächsten Generation lieb ist, „Grosser Gott wir loben dich“, „Stille Nacht..“ – anderes verändert sich und geht verloren.
Manches aber ist uns so wichtig, dass die nächste Generation hineinwachsen soll. Dann muss die Gestaltung aber auch so sein, dass die angesprochenen Personen vorkommen. Ich habe oft den Eindruck, wir tun uns leichter, alte Menschen anzusprechen als junge. Wir werden überlegen müssen, was der absolute Kern meines Glaubens ist, den ich meinen Kindern und den mir beruflich anvertrauten Kindern weitergeben möchte. Dann werden wir auch fragen können: Wie drücke ich das, was ich glaube, im Gottesdienst aus? Was brauche ich im Gottesdienst, was brauchen wir als Gemeinde, damit wir verwandelt werden, dass wir ein bisschen dankbarer, ein bisschen getröstet, ein bisschen mutiger – ein wenig verwandelt wieder in unseren Alltag gehen und zum Frieden beitragen können?
Ich mache ein etwas naives Beispiel, aber ich befürchte, es ist nicht falsch: Mir fällt in unserem privaten Freundeskreis auf (mittlerweile sind die Kinder unserer Freunde adoleszent), wenn wir zum gemeinsamen Abendessen beieinander sitzen, dass die Jugendlichen sitzen bleiben, wenn wir Themen aus unserer Erwachsenenwelt besprechen, bei denen sie merken, dass wir ernsthaft reden, uns austauschen, einander zu verstehen suchen, heftig diskutieren und Meinung bilden…. dann bleiben sie sitzen – solange wie sie wollen. Wenn wir dann den notwendigen Kauf einer neuen Waschmaschine besprechen und welches Modell nun im Preis-Leistungsverhältnis gut ist, dann verziehen sie sich. „Habt es nicht ungern, das ist nicht unser Thema“. Ähnliches gilt für mich beim Gottesdienst. Es geht zuerst um diejenigen, die miteinander feiern. Das bedeutet z.B., dass es gut ist, wenn wir als Erwachsene zuerst einmal Feiern finden, die uns ansprechen, in Sprache und Themen. Dann können wir auch Gottesdienste für und mit Kindern gestalten, dann können wir auch den Jugendlichen manchmal die Gestaltung der Feiern mit ihren Themen und ihren Formen übergeben.
Es braucht also Mut zum Experiment: Neue Formen entstehen als „Experimente“, die meist gemeinsam entwickelt werden. Für solche „Experimente“ sind sowohl die Offenheit der einzelnen Gemeinde als auch der Kirche insgesamt notwendig, um einen Freiraum zum Erproben ohne frühzeitige Normierungen zu schaffen. Eine Kultur des Gesprächs und der Auseinandersetzung wird dabei nötig, um auftretende Meinungsverschiedenheiten und mögliche (und wahrscheinlich auch notwendige) Konflikte zu bearbeiten und zu lösen, ohne auf einseitige Machtausübung zurückzugreifen. Wenn aber im Experiment schon festgelegt wird, was richtig und was falsch, oder erlaubt und was nicht erlaubt ist, dann werden wir keine neuen Formen entwickeln können.
Also – haben wir den Mut, neben dem vertrauten Gottesdienst am Sonntag und an Wochentagen neue Formen zu entwickeln und wachsen zu lassen, zu korrigieren, wo sie misslungen sind, zu gestalten, wo sie sich weiterentwickeln sollten. Haben wir den Mut, mit Kindern und Jugendlichen zusammen Formen zu entdecken, im Wissen darum, dass wir auf unseren Erfahrungen mit Gottesdienst aufbauen, dass uns manchmal ein Lied anrührt und manchmal fehl am Platz ist, dass uns manche Worte und Gesten frühere Erinnerungen wachrufen, oder dass manche Gesten genau deshalb unmöglich sind... Es braucht also das Experimentieren, mit kleinen und grossen Feiern, damit sie zur Erfahrung werden können.... Religionspädagogisch setzen wir an bei der Hinführung zur Stille – die aber braucht auch den lauten, den „aggressiven“ Ausdruck, wir setzen an bei Symbolerziehung und bei einfachen Ritualisierungen (dem Empfinden von Ordnung…). Wir dürfen aber nicht vergessen, dass Kinder, die im Schulunterricht alle 10-15 Minuten einen Methodenwechsel erleben, dann am Sonntag im Gottesdienst nicht einfach stillsitzen können. Es sind Umgangsformen zu lernen, ein kleiner „Kirchenknigge“ wäre ein spannendes Buch. Religionspädagogisch ist wichtig, Hilfen zu geben, sich selbst ausdrücken zu lernen – was ich empfinde, was ich denke, was ich glaube, was ich hoffe, was mich kränkt. Mit Kindern haben wir mit dem Direktorium für Kindergottesdienste schon längst die Ermöglichung, reduzierte, freie Formen der Liturgie zu entwickeln, eine erfahrungsnahe Sprache zu wählen, in Hauptsätzen, ohne Fremdworte. Sinnvolle Liturgie ist sinnenhaft, Musik und Klang und Lichter und Gerüche – Erinnerung geht über diese sinnlichen Erfahrungen.
Ein weiterer Gedanke zur Reflexion: Jugendliche – und wohl nicht nur sie – wollen häufig zur grösseren, zur stärkeren Gruppe gehören: Ich gehe zum Gottesdienst, weil ich dort meine Kolleginnen und Kollegen treffe. Deshalb wird wichtig bleiben, mit Kerzen und Musik Atmosphäre zu schaffen, nicht zu grosse Räume zu wählen, manchmal auch das „Nacht der Lichter-Gefühl“ zu ermöglichen: Ich gehe hin, weil ich dazugehören will. Und da so viele hingehen, gehe ich auch…
Bei allen Überlegungen dürfen wir aber nicht vergessen, was Fulbert Steffensky sagt: „Der Glaube wächst von aussen nach innen.“ Kinder lernen Religion zuerst von der Aussenwelt, sie empfinden Gefühle und handeln mit, bevor sie sich selbst damit auseinander setzen können. Die wichtigsten „Lernorte“ sind die Erwachsenen, die Eltern und die Familie (wie immer diese aussieht…), die Grosseltern. Wir werden bei den Eltern ansetzen müssen mit unserem Bemühen, Erfahrungen zu ermöglichen, das Nachdenken zu fördern und ich-nahe Sprache zu entwickeln – und ihnen Hilfen geben für die Begleitung der eigenen Kinder. Das wird spannend, weil wir als Erwachsene mit anderen Erwachsenen ins Gespräch kommen müssen/dürfen über das, was wir glauben, was wir feiern, wie wir feiern…
Schluss
Sie merken: Ich kann Ihnen keine einfachen Rezepte geben, wie beispielsweise: Setzt den Gottesdienst am Sonntagabend an, dann kommen die Jugendlichen eher. Es geht meines Erachtens nicht um die Frage, welchen Ablaufplan für die Gottesdienstvorbereitung haben wir, gibt es noch ein besseres Modell… Sondern Gottesdienst und Eucharistie sind m.E. längst offene Fragen für die Erwachsenen:
Was sind die existentiellen Themen, die wir feiern und verwandeln lassen wollen? Wie feiern wir Eucharistie, damit wir selbst „verwandelt“ werden? ...ein bisschen gelassener, getrösteter, friedvoller…?
Welche Sprache finden wir, die erfasst, was wir zu diesem Thema selber glauben, denken, erleben?
Wie schaffen wir immer wieder die Erfahrung – wenn ich dabei bin, bin ich Teil einer grösseren, einer grossen Gruppe, und das ist gut so.
Was hilft uns, den Mut zu haben zum Ausprobieren und zur kritischen Reflexion?
Es hat sich in den vergangenen 40 Jahren viel verändert, ich freue mich darauf, mit Ihnen gemeinsam die nächsten Veränderungen zu gestalten."