„Es geschah im Jahr 612, in einer unbekannten Nacht, jedenfalls nicht im härtesten Winter, nicht an Weihnachten.
Trotzdem war jene Nacht die heilige, die Weihe-Nacht für Sankt Gallen und seine weite alemannische Umgegend.
Denn wie schon Jahrhunderte zuvor die christliche Weihnacht die Stelle des heidnischen Wintersonnenfestes eingenommen hatte, der Geburtstag des Gottmenschen die Stelle des Geburtstags der Sonne, das übernatürliche göttliche Licht die Stelle des als göttlich gewähnten natürlichen Lichtes – Sol invictus -, so hatte nun auch hier durch Gall das Christentum Eingang genommen. Weithin begann seine Sonne zu leuchten: Die Galluszelle wurde christliche Keimzelle; Gall selber wurde der Volksheilige der Alemannen; der Ire wurde einer der Ihren; seine Einsamkeit wurde zur vielbesuchten Abtei, deren Klang durch das Abendland drang. Der Weihnacht folgte ein langer strahlender Tag des Lichts.
Ratbert, sanktgallischer Dichtermönch und Geschichtsschreiber im neunten Jahrhundert, hat das weihnachtliche Werk des Lichtbringers Gall im Hymnus gepriesen:
Ferne vom Westen heran dich wendend zum Aufgang der Sonne
Gabst du, Apostel, dem Volk Licht in der göttlichen Lehr'.
Denn es war finster, als ihm das Licht des Glaubens nicht strahlte.
Mit dir die Sonne erschien, welche uns brachte den Tag."
(aus Johannes Duft, Weihnacht im Gallus-Kloster, 1958)
Göttliches Licht,
Mensch geworden in der Krippe zu Bethlehem,
erleuchte unsere Herzen -
Göttliche Liebe,
für uns verschenkt bis ans Kreuz,
birg alle Leiden und Nöte unserer Zeit -
Göttlicher Geist,
mach' uns zu glaubwürdige Zeugen
des Evangeliums in der Welt.
Mit diesem Gebetswunsch zum Weihnachtsfest beginnen wir das Neue Jahr, in dem wir 1400 Jahre seit der Ankunft des Heiligen Gallus (612) feiern. Dankbar sind wir allen, die in Kirche und Welt dazu beitragen, dass das Jubeljahr 2012 ein „langer Tag des Lichts" werde.