„Jesu Einsatz für Menschen am Rand, für Ausgegrenzte und Kranke ist für mich als Christin richtungsweisend und meine persönliche Motivation für den Einsatz für Menschen mit einer Behinderung.“ Dies sagt Dorothee Buschor Brunner, seit 2005 Beauftragte für Behinderten- und Gehörlosenseelsorge im Bistum St.Gallen. Ende Juni wird sie diese Tätigkeit beenden und vermehrt im Ostschweizer Kinderspital als Seelsorgerin tätig sein.
„Eine Gesellschaft, die Leistung vor alles andere setzt, läuft Gefahr, auch das ganze Menschsein daran zu messen. Dass das Menschsein aber viel tiefer gründet, zeigen mir Begegnungen mit Menschen mit schwersten Behinderungen oder gerade auch die Lücke, die sie in ihrer Familie hinterlassen, wenn sie sterben“, erzählt Dorothee Buschor und fügt hinzu: „Dieses daran erinnern, dass das Menschsein nichts mit Leistungsfähigkeit zu tun hat, scheint mir eine existentielle Aufgabe von Menschen mit einer Behinderung zu sein. Ihre Präsenz bewahrt unsere Gesellschaft davor, ihre Menschlichkeit zu verlieren.“
Vielfältige Aufgabenbereiche
Die seelsorgerlichen Aufgaben, die Dorothee Buschor mit grosser Kompetenz und Sensibilität im Bereich der Behindertenseelsorge wahrgenommen hat, sind sehr vielfältig: regelmässige Gottesdienste für Menschen mit einer Einschränkung, darunter auch Gehörlosengottesdienste in Gebärdensprache, Vernetzung mit Fachstellen, Kontakte mit dem Schweizerischen Gehörlosenbund, Katechese für Kinder und Jugendliche, darunter auch Erstkommunionvorbereitung, Bewusstseinsarbeit für angehendes Seelsorgepersonal und Katechetinnen, Seelsorgegespräche mit Gehörlosen, Begleitung trauernder Eltern… Zudem führte Dorothee Buschor jedes Jahr einen Elternimpuls- und Begegnungstag durch. Seit Sommer 2014 ist sie teilweise bereits im Kinderspital tätig.
Das Erleben einer Behinderung hat sich geändert
Dorothee Buschor ist in St.Gallen geboren und aufgewachsen. Sie studierte Theologie in München und war anschliessend in Rebstein und Flawil als Seelsorgerin tätig. Sie absolvierte Weiterbildungen in heilpädagogischem Religionsunterricht und Gebärdensprachkurse des Schweizerischen Gehörlosenbundes. „Mein zentrales Anliegen ist, die Menschen anzuregen, Gott als tragenden Grund ihres Lebens zu entdecken und in die Beziehung zu ihm zu investieren. Dorothee Buschor freut sich, dass sich für viele Menschen mit Behinderung das individuelle Empfinden, behindert zu sein, in den letzten 15 Jahren verändert hat: Menschen mit einer körperlichen Behinderung könnten sich meist barrierefrei bewegen und fühlten sich nicht mehr ausgegrenzt. Für Gehörlose sei es jedoch noch schwierig, etwa an Informationen heranzukommen, das schränke ein. „Doch die Gehörlosen unter sich fühlen sich nicht behindert, dank der Gebärdensprache können sie ihre eigene Kultur leben.“
Sakramente als Zeichen der Liebe Gottes erfahren
Für Dorothee Buschor ist es wichtig, Menschen mit einer Behinderung auf Augenhöhe zu begegnen und ihnen auch die Erfahrung der Nähe Gottes zu ermöglichen. So hat sie etwa im Erstkommunionunterricht versucht, den Kindern mit einer warmen Wolldecke die fürsorgliche Liebe Gottes zu vermitteln: „Gott ist dir nahe und umhüllt dich wie eine Wolldecke, du kannst dich in ihm geborgen fühlen…“.
Vision des Miteinanders
Dorothee Buschor hat eine Vision: Sie hofft, dass mit der Zeit Parallel- oder Sonderstrukturen für Menschen mit einer Behinderung nicht mehr nötig sind, weil in den bestehenden Strukturen Rücksicht auf deren besondere Bedürfnisse genommen wird, gerade auch in der Kirche: „Menschen mit einer Behinderung sind in ihrer Ortspfarrei beheimatet und nehmen selbstverständlich am Leben der Ortskirche teil. Sie gestalten das Pfarreileben mit in Kirchenchören, Liturgiegruppen und Vereinen. Jugendliche ministrieren oder sind Mitglieder von Jugendorganisationen. Eltern von Kindern mit einer Behinderung finden in ihrer Pfarrei eine Gemeinschaft, die ihre Fragen und Nöte mitträgt.“ Dorothee Buschor ist überzeugt: „Diese inklusive Sichtweise gilt es, in die Pfarreien hinauszutragen!“ (BistumSG/Evelyne Graf)