Jede und jeder von uns hat eigene Vorstellungen und Bilder davon, was und wie der Himmel ist oder sein könnte. Die Theologie fasst es so zusammen: Mit „Himmel“ meinen wir „das uns von Gott zugedachte Ziel der persönlichen und universalen Geschichte“; das endgültige, rundum glücklich machende „Aufgehobensein“ in der Gemeinschaft mit Gott. Verbunden mit diesem ‚endgültig aufgehoben sein‘ bei Gott ist die Vollendung, die Gott schenkt: Er richtet alles aus, heilt, macht ganz.
Die Vollendung, die Gott schenkt, werden wir als Versöhnung auf allen Ebenen unseres Menschseins erleben:
– als Versöhnung mit Gott und seinem oft so unverständlichen Wirken;
– als Versöhnung mit uns selbst, unserer eigenen Lebensgeschichte, den Verletzungen und den verpassten Lebenschancen;
– als Versöhnung auch mit den anderen Menschen, denen wir oder die uns auf die Nerven gegangen sind;
– als Versöhnung schließlich in und mit der ganzen Schöpfung.
Als Glaubende kennen wir diese Liebe Gottes schon: In und durch Jesus hat Gott sie sichtbar und erlebbar und vor allem nachlebbar gemacht.
Es ist möglich, solch „himmlische“ Augenblicke schon jetzt zu erleben. Hoffentlich haben alle schon einmal versöhnte, glückliche Momente erlebt, in denen alles gut war. Damit verbunden ist aber auch das Wissen um die Begrenztheit solcher Momente. Aber solche Erfahrungen und das Wissen um Jesu Beispiel bringen Christinnen und Christen bis heute dazu, sich jeden Tag neu darum zu bemühen, es immer wieder zu (ver)suchen, diese von Gott geschenkte Versöhnung zu leben.
Damit tun sie nichts weniger, als ihre Hoffnung auf den Himmel zu erden, als ihr Wissen um den Himmel weiterzugeben, als ihren Blick vom Himmel zu senken in den Alltag auf Erden – wie es die Engel im Lukasevangelium empfehlen. Da trifft es sich gut, dass wir als Christen an einen Gott glauben, der selbst den Weg vom Himmel auf die Erde gegangen ist, der bei uns ist und zugleich immer im Kommen. Unser Gott bezeichnet sich selbst so: „Ich bin das Alpha und das Omega, der ist, der war und der kommt“ (Buch der Offenbarung).
Gott ist da und kommt doch zugleich immer noch - stets neu und unverbraucht - auf uns zu; und darum kann er uns immer von Neuem überraschen; kann er Gebrochenes heilen, Gestorbenes zu neuem Leben erwecken, Erstarrtes wieder in Bewegung bringen – schon jetzt und in Zukunft.
Es gibt – so sehr sich das manche wünschten – es gibt keinen Automatismus, Menschen haben Gott nicht in der Hand, können nicht über ihn verfügen. Darum ruft eines der ältesten Gebete der Christenheit voller Sehnsucht zu diesem Gott: „Maranatha“ – d.h. „Komm, o Herr! Komm und erneuere die Welt, die Kirche, uns selbst!“
Christi Himmelfahrt feiern heißt nichts anderes, als Jesus Christus zu feiern und zwar als Herrn der Welt und diese Welt als seine Welt zu bejahen; ...heißt zu rufen: Komm jetzt, komm heute, damit wir heute mit dir leben und heute diese Welt mit dir gestalten ... und schon heute aufgehoben sind in dir.
Franz Kreissl, Pastoralamtsleiter Bistum St.Gallen