In der Jubiläumsausgabe nahm Pastoralamtsleiter Franz Kreissl die Teilnehmenden mit auf den Weg der Emmausjünger. Die Erzählung zeigt, wie Jesus Seelsorge verstanden hat und wie sie Vorbild für kirchliche Jugendarbeit sein kann. Tischgespräche, eine Podiumsdiskussion oder die traditionelle Bratwurst (Veggie-Burger) sind weitere Elemente der vierstündigen Weiterbildung im St. Galler Pfarreizentrum St. Maria Neudorf.
Nach einem besinnlichen Einstieg in der Kirche begann das 30. Diözesanforum mit einem Impuls von Franz Kreissl, Pastoralamtsleiter Bistum St.Gallen. Er zitierte Wolfgang Borchert, der kurz nach dem 2. Weltkrieg von einer Generation ohne Glück, ohne Heimat, ohne Grenzen oder ohne Behütung schrieb, letztlich von einer Generation auch ohne Gott. Dies führte zur ersten von mehreren Fragen, die als Tischrunden diskutiert wurden: «Wie beschreiben junge Menschen heute ihre Lage». Die Diskussionen im Saal waren hörbar intensiv, ein Grundtenor war, dass es «die jungen Menschen» nicht gibt, sondern «die Vielfalt junger Leute», die in ihren je eigenen Lebensentwürfen und Situationen leben.
Nicht abwiegeln
Bereits in der Besinnung sowie in der Einleitung des Referenten gab es Bezug auf die Erzählung der Jünger, die mit Jesus von Jerusalem nach Emmaus unterwegs waren. «Für mich ist diese Erzählung ein ganz ursprüngliches Dokument und ein Beleg dafür, wie Jesus Seelsorge verstanden und praktiziert hat», sagte Franz Kreissl. Da sind zwei auf dem Weg, die ihre ganze Hoffnung auf einen Menschen gesetzt hatten, der dann am Kreuz ermordet wurde. «Sie sind enttäuscht von ihrem Leben, ihrer Hoffnung, nichts hatte sich erfüllt», betonte der Referent. Und dann kommt in der Erzählung einer dazu, geht mit ihnen weiter, hört zu. Ein starkes Bild für die Jugendarbeit: Nicht mit Reden anfangen, sondern mit Zuhören. Jesus verharmlost ihre Erfahrungen nicht, sondern lässt sie so stehen, wie er sie hört. Er nimmt sie ernst. « Zuhören heisst auch in schweren Situationen nicht abwiegeln, nicht entwerten», so Franz Kreissl.
Nicht deuten
Er warnte vor der Versuchung, sofort zu deuten zu erklären, einen Rat zu geben. Wer das tue, habe nicht zugehört, sondern stattdessen Antworten formuliert. Jesus stellt den Jüngern eine einfache Frage: «Musste nicht der Messias all das erleiden? Musste es nicht so kommen?». Er zwingt keine Deutung auf, gibt keine Interpretation vor – aber er stellt eine Frage, die helfen kann, das ganze Geschehen in einem anderen Licht zu sehen. Psychologen nennen diese Methode heute «Reframing» - in einen anderen Rahmen stellen, in Deutsch besser: Umdeuten. Damit ist gemeint, dass geübte Zuhörende durch geschickte Fragen helfen, die Situation in einem anderen Licht oder von einer anderen Warte aus anzuschauen.
Zeit nehmen
Weitere Impulse folgten, deutlich wurde auch in der anschliessenden Podiumsdiskussion, dass die Emmausgeschichte auch der Jugendarbeit noch viel zu sagen hat. Mit Menschen unterwegs zu sein, ihnen begegnen, zuhören, Freud und Leid teilen, sorgfältig damit umgehen, darin steckt eine ungeheure Kraft. Und zu bleiben und sich viel Zeit zu nehmen, dann wenn es nötig ist. In Emmaus bleibt Jesus bei den Jüngern und er tut etwas, was ihnen die Angst nimmt, er bricht das Brot. «Für mich ist das ein wesentliches Bild für Seelsorge: Gast sein im Leben der Menschen, nicht erklären, nicht reden, sondern bleiben», fasst Franz Kreissl zusammen. Und noch etwas passiert in diesem Moment: Den Jüngern gehen die Augen auf, sie erkennen Jesus. Übersetzt in die Jugendarbeit kann das heissen: Einzelne oder Gruppen, die durch schwere Zeiten gehen werden fähig, in ihr Leben zurückzukehren und ihre Hoffnung zu stärken.
Erfahrungsberichte
In der anschliessenden Podiumsdiskussion erzählte Valentin Beck, langjähriger Präses von Jubla Schweiz und heute kirchlicher Gassenarbeiter in Luzern, von einer angenommenen Einladung bei einem Klienten, der in ärmlichsten Verhältnissen in einem Schopf wohnt. Die Jugendarbeiterin und Religionspädagogin Sylvia Dietsche (Seelsorgeeinheit Werdenberg) schaltet sich ein in wichtigen Momenten von Menschen. Unter anderem erzählte sie von der Begleitung eines Mädchens, dass über die ganze Schulzeit immer wieder Mobbing-Opfer war. Oder von einer heute erwachsenen Frau, die sehr oft mit ihr Kontakt suchte. Heute ist sie verheiratet und Mutter eines Sohnes, die Gamserin erhält regelmässig Updates von einem gelingenden und erfüllten Leben. Lukas Weibel, kirchlicher Sozialdienst Berufsschule Toggenburg hat pro Jahr rund 150 Kontakte aus den Reihen der 1500 Schülerinnen und Schüler sowie den Mitarbeitenden, einmal oder auch mehrmals. Präsenz und Anteil nehmen, nichts schönreden, sind wesentliche Stichworte seines Podiumsbeitrages. Pascal Wüst, «familiär vorbelasteter» Theologie-Student, sein Vater ist Seelsorger in Gommiswald, erzählte aus der Aufgabe eines Firmbegleiters. Den Jugendlichen etwas zutrauen, ihnen Verantwortung übergeben und Vertrauen zu schenken ist ihm sehr wichtig. Er erzählte auch von der Erfahrung, dass sich beim Bier nach dem Firmkurs oder am Lagerfeuer teils mehr ereignet als in den geplanten Stunden. Eine Erfahrung, die auch die andern Podiumsteilnehmenden teilen können.
Nach dieser Expertenrunde gab es noch einen abschliessenden Input von Linus Brändle und Verena Kaiser, Daju, mit wesentlichen Stichworten zur Jugendarbeit: Mut, Vertrauen, Offenheit oder auch, dass Scheitern auch einmal sein darf.
Spezielles Schlusswort
Bischof Markus hatte in diesem Jahr ein sehr spezielles Schlusswort, beeindruckt und bedrückt von der Situation von 75 Ukrainischen Flüchtlingen, die er am Nachmittag in Teufen angekommen waren. Dort wurden sie von Gastfamilien empfangen, der Bischof hatte sich auch Zeit genommen, sie willkommen zu heissen. Die Situation von Frauen und Kindern, die sich von den Männern trennen mussten um in einem fremden Land Schutz zu suchen sei kaum vorstellbar, sagte Bischof Markus bewegt. Den Teilnehmenden des 30. Diözesanforums dankte der Bischof zum Schluss herzlich für ihre Arbeit mit den jungen Menschen, speziell an die Kirchenverwaltungen gerichtet auch für die Ermöglichung dieses wichtigen Teils der Seelsorge im Bistum St.Gallen.