Nach sechs Jahren ist die Juristin Franziska Gschwend als Präsidentin des seit 2002 bestehenden Fachgremiums gegen sexuelle Übergriffe im Bistum St. Gallen zurückgetreten. In diesen Tagen führt sie ihre Nachfolgerin Daniela Sieber (im Bild), ebenfalls Juristin, in diese herausfordernde Aufgabe ein, der Wechsel erfolgt per 1. Januar 2020.
In den fast sechs Jahren des Präsidiums von Franziska Gschwend hat sich zum Thema sexuelle Übergriffe in der katholischen Kirche erneut einiges bewegt: auf gesamtschweizerischer Ebene ist seit mehreren Jahren ein Genugtuungsfonds für Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen eingerichtet, die Richtlinien der Bischofskonferenz sind angepasst worden. «Das Bistum St. Gallen hat zudem mit seinem umfassenden Schutzkonzept den Grundstein gelegt für die Prävention und diese mit flächendeckenden Weiterbildungen etabliert», sagt Franziska Gschwend. «Es hat damit - einmal mehr - eine Vorreiterrolle eingenommen».
Oft ein lebenslanges Leiden
Als Präsidentin des Fachgremiums hat die St. Gallerin diese wichtigen Schritte begleitet und kompetent mitgestaltet. Wichtig waren ihr dabei die Umsicht und Ernsthaftigkeit, mit der das Thema sexuelle Übergriffe im Bistum St. Gallen angegangen wird. «Prägend waren für mich die Berichte der Opfer über erlittene Übergriffe und das Wissen darum, dass diese furchtbaren Erfahrungen sie oft ein Leben lang begleiten, bevor sie den Mut und die Kraft finden, sich jemandem anzuvertrauen», erzählt die scheidende Präsidentin nachdenklich. Mit dem Fachgremium einen wichtigen Beitrag zum Umgang mit sexuellen Übergriffen zu leisten, war für sie teils belastend, aber eine wichtige Erfahrung.
Von gesellschaftlicher Bedeutung
Mit Daniela Sieber darf das Bistum St. Gallen wieder auf eine ausgewiesene Fachfrau zählen. Die Stabsmitarbeiterin im Amt für Soziales des Kantons St. Gallen, die auch Erfahrungen aus der Arbeit an Gerichten mitbringt, hat das Präsidium des Fachgremiums aus verschiedenen Gründen angesprochen. „Das Thema der sexuellen Übergriffe ist nicht nur im kirchlichen Umfeld, sondern grundsätzlich von gesellschaftlicher Bedeutung», betont sie, «und die unabhängige und interdisziplinäre Beratung der Fälle durch das Fachgremium überzeugt mich». Die Juristin hat in ihrer Zusatzausbildung zur Mediatorin erkannt, dass das geltende Rechtssystem den Beteiligten eines Konflikts nur bedingt hilft, Erlebtes zu verarbeiten. «Das Fachgremium des Bistums leistet hier eine wichtige Ergänzung zum Strafverfahren und kann darüber hinaus präventiv wirken», ergänzt sie.
Dank an beide Frauen
Bischof Markus Büchel und seine Mitarbeitenden sind ihrerseits dankbar, dass mit Daniela Sieber eine kompetente Nachfolgerin für das herausfordernde Amt gefunden wurde. Ein grosses Dankeschön geht an Franziska Gschwend, die das Fachgremium in den vergangenen Jahren geprägt und zusammen mit allen Mitgliedern sehr gute Arbeit geleistet hat. Auch auf Schweizerischer Ebene gab die St. Gallerin wesentliche Impulse und sprach auch ab und zu Klartext, wenn beispielsweise die Umsetzung von Beschlüssen nur langsam voranging. Ihre Stimme wurde nicht zuletzt auf dem Hintergrund gehört, dass das Bistum St. Gallen weitherum die längste Erfahrung hat im Bereich professionelle, unabhängige Bearbeitung von sexuellen Übergriffen in der Seelsorge. (BistumSG/Sabine Rüthemann)
Kontakt Fachgremium gegen sexuelle Übergriffe in der Seelsorge
Für Opfer oder Täter stehen zwei Ansprechpersonen zur Verfügung, die praktisch immer erreichbar sind: Sepp Koller, Seelsorger am Kantonsspital St. Gallen und Dolores Waser Balmer, Pflegefachfrau, Mitarbeiterin Caritas St. Gallen-Appenzell. Aufgrund von Meldungen werden in Absprache mit den Betroffenen erforderliche Massnahmen eingeleitet bis hin zur Strafanzeige. Das Fachgremium arbeitet unabhängig, Bischof Markus Büchel wird von der Präsidentin laufend orientiert über die Arbeiten. Zusammengesetzt ist das fünfköpfige Fachgremium interdisziplinär.
Adressen und Telefonnummern Fachgremium