Fabio: Franz, du warst viele Jahre Leiter des Patoralamtes im Bistum St.Gallen, per Ende Oktober gibst du das Amt ab. Mit was hast du dich in deiner Arbeit beschäftigt?
Ich beschäftigte mich mit dem ganzen breiten Feld von Seelsorge. Das heisst, alle Themen, die in der Seelsorge vorkommen, sind auch unsere Themen. Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich und umfasst alle Fachstellen und Themen wie die Spital- und Gefängnisseelsorge aber auch Aufgaben wie die Organisation der Seelsorge, Personalentwicklung, Weiterbildung für die Seelsorge und die Sozialarbeit in der Seelsorge. Ich war in all den Jahren im Auftrag des Bischofs zuständig, dass es in diesen Bereichen vernünftig läuft und dass es vernünftige Bedingungen gibt. Den Auftrag habe ich für das Bistum St.Gallen, aber es gehört auch die Vernetzung mit den anderen Schweizer Bistümern und die Vernetzung im ganzen deutschsprachigen Raum dazu.
Was ist deine Lieblingsbeschäftigung ausserhalb deiner Arbeit?
Gute Krimis lesen. Ebenfalls wichtig ist der Kontakt mit Freunden und Familie. Mit Freunden auch, um immer wieder einmal aus meiner Welt herauszuschauen. Ich interessiere mich sehr für Geschichte, für Politik und für gesellschaftliche Fragen. Ich lerne viel über das Reden und das Zuhören.
Was nimmst du auf eine einsame Insel mit?
Eine Handvoll Bücher. Wenn ich allein da wäre, würde ich auch Bilder mitnehmen von Menschen, die mir wichtig sind. Und dann natürlich Feuerzeug und Überlebensartikel. Und allenfalls noch irgendein Schlaginstrument. Oder ich suche mir auf der Insel ein paar Holzstücke zusammen und beginne damit zu trommeln. Ich bin zwar kein Schlagzeuger, nicht zuletzt, weil ich keinen Rhythmus halten kann. Aber ich trommle öfter einfach so vor mich hin.
Welche Superkraft würdest du gerne besitzen?
Ich würde gerne in sehr kurzer Zeit eine neue Sprache lernen können. Wenn ich wählen könnte, würde ich Portugiesisch und Tschechisch lernen. Das sind die beiden Sprachen, die in der jeweiligen Sprachfamilie am schwierigsten zu lernen sind. Wenn du Tschechisch kannst, verstehst du auch einiges an Polnisch, Slowakisch usw. Wenn du Portugiesisch kannst, verstehst du viele von den romanischen Sprachen. Tschechisch auch, weil mein Vater aus Böhmen kam und Portugiesisch, weil Portugal ein Sehnsuchtsland für mich ist, denn ich war mit 20 Jahren schonmal da und würde gerne wieder hinreisen.
Welche Geschichte aus der Bibel beeindruckt dich?
In den letzten Jahren ist mir das Leben von Moses ziemlich nahegekommen. Moses war ein Mörder und musste sich verstecken. Moses hatte einen Sprachfehler, konnte also nicht gut reden. Und dann kommt Gott zu ihm und sagt: Geh zum Pharao, stell dich und verlang, dass er das Volk gehen lässt. Das Volk war 450 Jahre ein Sklavenvolk, also für die herrschende Macht war es völliger Blödsinn, ihrer Freilassung zuzustimmen. Und dann soll der gesuchte Terrorist, der sich jahrelang in der Wüste versteckt hat, zum Pharao gehen und sagen: «Lass mein Volk ziehen.»? Also völliger Wahnsinn. Er soll sich hinstellen und vor dem mächtigsten Mann seiner Zeit reden - er, der nicht reden kann. Es fasziniert mich wirklich, dass Gott zum ihm sagt, «geh Moses und mach», und Moses macht das. Ich habe oft erlebt, dass ich selbst zu wenig mutig bin, alles kalkuliere, was passieren könnte und wer etwas dagegen haben könnte. Wir haben unglaublich viele Bedenken, aber Moses macht an einem bestimmten Punkt seines Lebens völlig verrückte Sachen. Etwas von diesem Mut und dieser Verrücktheit wünsche ich mir für mich.
Für die Zukunft der Kirche wünsche ich mir…
... fröhliche Christinnen und Christen. Es gibt von Gandhi und Nitzsche ähnliche Zitate im Sinn von: «Wenn die Christen fröhlicher wären oder erlöster aussehen würden, wären sie überzeugender.» Ich glaube wir können methodisch alles überprüfen, alles planen und was weiss ich welche wissenschaftlichen Belege zu Hilfe nehmen, aber das Überzeugendste sind einfach glaubende Menschen, die in ihrem Leben glücklich sind.
Die Texte und Fotos für diese Porträts hat Fabio Brändle gemacht. Fabio ist während seines vierwöchigen Praktikums in den Ordinariatsalltag eingetaucht, hat die Mitarbeitenden kennengelernt und interviewt. Wir danken Fabio für seinen Einsatz und sein Interesse.
