Die zentralen Erwartungen an den Bischof sind: Mut, Offenheit und Volksnähe. Dies braucht er, um ergänzt durch einen partizipativen Leitungsstil, die Herausforderungen angehen zu können, die sich dem Bistum und der Kirche stellen.
Die Bischofssuche ist gestartet
Am 9. August 2024 wurde der Bischof von St. Gallen, Markus Büchel, 75 Jahre alt. Auf dieses Datum hin bat er den Papst um Amtsentpflichtung. Kurz darauf erhielt der Bischof eine Bestätigung aus Rom: Er verbleibt noch im Amt, aber das Domkapitel kann umgehend mit den Vorbereitungen zur Wahl eines Nachfolgers beginnen. Es entspricht einer guten Tradition im Bistum, dass im Vorfeld einer Bischofswahl breit gefragt wird, welche Erwartungen es an einen neuen Bischof gibt. Das Domkapitel beauftragte daher das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) eine Umfrage durchzuführen. Untenstehend sind wichtige Auszüge aus der Umfrage. Die komplette Studie ist hier verlinkt.
Gruppen und Zusammensetzung
1305 Personen in 173 Gesprächsgruppen diskutierten über ihre Erwartungen an einen neuen Bischof. Im Durchschnitt umfasste eine Gruppe 7.6 Personen.
27 reine Frauengruppen, 3 reine Männergruppen.
Über alle Gruppen haben 509 Männer, 749 Frauen und 2 Personen, die sich als ‘divers’ bezeichnen, teilgenommen.
10 Prozent der Teilnehmenden sind unter 30 Jahre jung, ¼ zwischen 30 und 45. Rund die Hälfte der Personen sind zwischen 46 und 60 Jahre alt, über 60-Jährige machen 16 Prozent aus.
Total wurden 750 Erwartungen und 171 Angaben zu den nötigen Eigenschaften eines Bischofs geäussert.
Knapp die Hälfte der Gruppen bildeten sich aus kirchlichen Mitarbeitenden, Ehrenamtlichen und Freiwilligen. Die andere Hälfte waren Gruppen aus Kirchenmitgliedern. Vier Gruppen waren evangelisch-reformiert oder ökumenisch zusammengesetzt.
Mutig, authentisch und spirituell verwurzelt
Über alle Rückmeldungen hinweg kristallisieren sich drei Begriffe heraus: Volksnähe, Offenheit und Mut. Zitatbeispiele: «Er soll volksnah sein und offen für Neues.», «Mutig – ohne Mut lassen sich die vielen anstehenden Entscheidungen nicht treffen.»
Unter dem Begriff ‘Volksnähe’ sammeln sich Eigenschaften wie: geerdet, bodenständig, authentisch, spür- und nahbar, zugänglich. Der Bischof soll eine Sprache sprechen, die verstanden wird und er soll sich in unterschiedlichen Milieus bewegen können.
Auch ‘Offenheit’ ist ein weitgefasster Begriff. «Offen für Neues», oder auch als «offen für Veränderungen, für Wandel, für eine synodale Kirche». Etwas spezifischer wird die Offenheit beispielsweise erwartet in Bezug auf die Ökumene und gegenüber anderen Religionen, für die Zeichen der Zeit und für die Nöte der Menschen. Der Bischof soll auch «spirituelle Tiefe» haben und ein Brückenbauer sein.
Der Bischof soll mutig handeln: «Der Bischof braucht Mut, in der Hoffnung getragen durch den heiligen Geist Neues zu wagen und auch andere Menschen dazu zu ermutigen.»
Die Umfrage beschreibt auch die Wünsche der Menschen zur Persönlichkeit und dem Leitungsstil eines Bischofs: achtsam, hörend, liebevoll oder spirituell verwurzelt, «ein Seelsorger, kein Verwalter» ist zu lesen. Dabei muss er belastbar sein, eine dicke Haut haben und resilient sein. Aber: «Ein Bischof muss kein Übermensch sein». Er solle vielmehr ein Teamplayer sein und Verantwortung und Aufgaben übertragen können.
Herausforderungen in der Kirche
Der neue Bischof werde sein Amt «in einer Zeit des Umbruchs» antreten. In Bezug auf die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Kirche sind gemäss Umfrage «neue Wege zur Vermittlung von Glaubenswissen für Kinder und Erwachsene», sowie «die Entwicklung der Berufe in der Kirche oder neue pastorale Schwerpunktsetzungen» nötig.
Es zeigt sich eine gewisse Polarisierung in Bezug auf die konkreten Entwicklungen: «Wir erwarten, dass der neue Bischof nicht nur offen für die Diskussionen über die Rolle und den Platz der Frauen in der katholischen Kirche ist, sondern sich auch aktiv für die Weihe von Frauen zum katholischen Priestertum einsetzt und Priestern offiziell die Heirat erlaubt». Wenige Stimmen vertreten hier den Gegenpol und wünschen sich «eine Umkehr zum wahren Glauben».
Umgang mit Missbrauch: schnell, klar und transparent handeln
Die Thematik Missbrauch hatte einen bedeutenden Stellenwert: Nebst «schnellem, klarem und transparentem Handeln» wird «das Überdenken von Strukturen» gefordert und «mehr Empathie für Missbrauchsbetroffene».
Kommunikation: «Wir sitzen gemeinsam in einem Boot.»
Bei der Kommunikation geht es um Offenheit im Sinne von Transparenz, um Nahbarkeit im Umgang mit der Vielfalt im Bistum und um den Mut und die Fähigkeit, «kirchliche Themen und christliche Botschaft auf Augenhöhe in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft zur Sprache bringen» zu können. Damit die Stimme der Kirche wahrgenommen werde, brauche es mehr Zusammenhalt. Die ökumenischen und reformierten Gruppen äussern die Erwartung, «gemeinsam die Zukunft der christlichen Kirche zu gestalten» und: «Wir brauchen ein Bewusstsein, dass wir gemeinsam in einem Boot sitzen».
Abschliessend heisst es im Bericht: «Der Bischof braucht auch Mut zu einem Aufbruch ohne fertige Lösungen, im Wissen darum, auch zu scheitern, Fehler zu machen, sie anzuerkennen, aber dann immer wieder neue Wege zu beschreiten.»
«Wir freuen uns sehr über die rege Beteiligung an der Umfrage – es haben Gruppen aus allen Regionen des Bistums teilgenommen», sagt Oliver Wäckerlig, der im SPI die Konsultation geleitet und ausgewertet hat. «In den Voten spürt man das Vertrauen der Menschen, dass das Bistum auf einem guten Weg ist». Es sei zu hoffen, dass ein zukünftiger Bischof das Vertrauen der Menschen gewinnt, denn das braucht er, um mutig Dinge auszuprobieren, so Wäckerlig.
Vertiefung in der Expertenrunde
Zur Vertiefung der Konsultation, setzte sich am Mittwochabend eine Expertengruppe* mit den Resultaten auseinander. Die Teilnehmenden haben die Ergebnisse aus der Konsultation diskutiert und gewichtet. Unterstrichen wurde unter anderem: Synodalität, Gleichstellung und die Fähigkeit eines Bischofs, alle Menschen im Bistum zu erreichen. Ziel ist es nun, für das Domkapitel einen ergänzenden Bericht zu verfassen. Das Domkapitel hat eine solche Expertenrunde auf diese Bischofswahl hin zum ersten Mal angeregt. Es zeigt sich damit sehr offen, die Anliegen der Menschen im Bistum in ihre Diskussionen einzubeziehen.
Nächste Schritte in der Bischofswahl
Das Domkapitel wird in den kommenden Tagen die Resultate aus der Konsultation sowie den Bericht aus dem Austausch mit der Expertengruppe studieren und diskutieren. Anschliessend werden die 13 Kanoniker eine Liste erstellen mit sechs möglichen Kandidaten für das Bischofsamt. Diese schickt der Domdekan über den Apostolischen Nuntius nach Rom. Dann beginnt die Zeit, in der Rom die Kandidaten ‘prüft’. Papst Franziskus wird jene Kandidaten bezeichnen, die eine Ernennung zum Bischof erhalten würden und schliesslich die Wahlliste über den Nuntius zurück ans Domkapitel schicken. Der Wahltag wird in Absprache mit dem Katholischen Kollegium (dem Parlament der Katholikinnen und Katholiken im Kantons St.Gallen) festgelegt. Das Parlament hat die Möglichkeit, drei von sechs Kandidaten als mindergenehm zu bezeichnen. Sich orientierend an der möglichen Ernennung bzw. dem Mindergenehm wird das Domkapitel schliesslich die Wahl vornehmen. Wann das sein wird, ist ungewiss. Das Bistum wird darüber informieren.
Weitere Infos:
Medieninformation zum Start der Bischofssuche.
*Die Expertenrunde setzte sich zusammen aus Mitgliedern des Ordinariatsrates (sofern sie nicht Mitglied im Domkapitel sind), Mitglieder der Ordinariatsversammlung, Vertreter:innen des Priester- und Laienrats, Vertreter:innen des Seelsorgerats, Mitarbeitende der diözesanen Fachstellen, Vorstand Pastoralforum, Kantonsleitung von Jungwacht und Blauring, Spurgruppe von «Reformen jetzt», Vorstand Kirchgemeindeverband St.Gallen sowie Vertreter der Kirchgemeinden beider Appenzell.