Das Domkapitel berät den amtierenden Bischof und es wählt jeweils auch seinen Nachfolger. Doch wer sind die 13 Persönlichkeiten? Heute lernen wir Marjan Marku kennen.
Was waren deine wichtigsten Stationen im Leben?
Ich stamme aus einer sehr prägenden religiösen Familie, wo ich mit meinen zwei Brüdern eine wunderschöne Kindheit verbringen durfte. Meine Vorväter in vierter Generation, väterlicher- und mütterlicherseits, waren eher bereit zu sterben, als dass sie ihre Religion gewechselt hätten.
Die Volksschule besuchte ich in meinem Heimatort in Kosovo, das klassische Gymnasium in Subotica, das philosophische und theologische Studium in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina und den akademischen Grad „Magister der Theologie“ habe ich an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität in Wien abgeschlossen.
Der prägendste Moment in meinem Leben war die Entscheidung, Priester zu werden. Diese Entscheidung hat mich immer gestärkt, meine Berufung in den Dienst Gottes und des Nächsten zu stellen. Mein Weg und mein Leben im Priesterdienst in verschiedenen Pfarreien und Ländern haben gezeigt, dass sich mein Leben als Priester gelohnt hat und dass ich diesen Weg nie bereut habe.
Als nächster prägender bzw. einschneidender Moment war auch die Entscheidung der Inkardination in der Diözese St. Gallen. Ich bin sehr dankbar, dass ich hier meinen Priesterdienst erleben und stärken darf.
Beschreibe dich in ein paar Sätzen.
Durch meine Eltern habe ich gelernt, meine Mitmenschen zu respektieren und hilfsbereit zu sein. Daher gehört Hilfsbereitschaft und soziale Kompetenz zu meinen Stärken. Ich empfinde mein Verhalten gerecht, bin sehr direkt und manchmal auch kritisch. Ich schätze tiefe Gespräche ebenso wie Momente der Stille und Reflektion.
Was braucht die Kirche aus deiner Sicht am dringendsten – heute und auch in die Zukunft gedacht?
Es gibt verschiedene Bereiche, die als dringend angesehen werden können:
Angesichts einer sich verändernden Gesellschaft und einer zunehmend säkularisierten Welt muss die Kirche kreative und effektive Wege finden, das Evangelium zu verbreiten und Menschen für den Glauben zu gewinnen.
Die Kirche muss weiterhin hart daran arbeiten, das Vertrauen der Gläubigen wiederzugewinnen.
Die Kirche sollte strenge Richtlinien und Verfahren zur Vorbeugung von Missbrauch und zur Unterstützung von Betroffenen implementieren.
In einer zunehmend polarisierten Welt ist es wichtig, den Dialog zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen, Kulturen und Lebensweisen zu fördern und die Einheit unter den Gläubigen zu stärken.
Die Kirche muss sich weiterhin um die geistlichen Bedürfnisse ihrer Gläubigen kümmern, insbesondere in Zeiten persönlicher oder gesellschaftlicher Krisen.
Diese Kirche braucht unsere Kraft, unsere Begeisterungsfähigkeit, unsere Ideale, damit das Evangelium des Lebens in die soziale Struktur eindringen kann, um die Herzen der Menschen und die Gesellschaft zu wandeln, so dass eine Kultur wahrer Gerechtigkeit und Liebe entstehen kann.
In Zukunft wird die Kirche auch weiterhin darauf achten müssen, wie sie mit Themen wie Rollen in der Kirche, Technologie, Globalisierung, sozialer Gerechtigkeit und Umweltschutz umgeht, um relevant und wirksam zu bleiben.
Was darf in der Kirche nie verloren gehen?
In der Kirche sind mehrere Elemente unverzichtbar:
Die katholische Kirche legt grossen Wert auf die Heilige Schrift, sowie auf die Überlieferung der Lehren und Praktiken, die von den Aposteln und der frühen Kirche weitergegeben wurden.
Die Sakramente sind heilige Rituale, die göttliche Gnade vermitteln. Sie sind sichtbare Zeichen, die unsichtbare Realitäten vermitteln, wie die Gegenwart Gottes unter den Menschen und seine Liebe. Sie sind Ausdruck der Liebe Gottes und seiner beständigen Nähe zu seinen Menschen.
Die Einheit und Gemeinschaft der Gläubigen, geführt von den Bischöfen in Gemeinschaft mit dem Papst.
Ja zu sagen zu einer Kultur des Lebens:
Und dazu gehört zuerst das Ja zu Gott, der dem Leben Sinn gibt;
das Ja zur Familie
das Ja zum Leben
das Ja zu verantwortungsbewusster Liebe
das Ja zu Solidarität, sozialer Verantwortung und Gerechtigkeit
das Ja zur Wahrheit
das Ja zur Achtung anderer Menschen und dessen, was ihnen gehört.
Du musst das Vertrauen der Menschen in die Kirche wieder aufbauen/stärken: Welche Massnahmen triffst du?
Transparenz und Rechenschaftspflicht fördern
Verantwortung übernehmen bei Fehlverhalten.
Vermittlung von Werten wie Mitgefühl, Gerechtigkeit und Nächstenliebe.
einen offenen Dialog mit ihrer Gemeinde führen und ihre Mitglieder in Entscheidungsprozesse einbeziehen. Dies stärkt das Gefühl der Verbundenheit.
Die Kirche sollte proaktiv und transparent kommunizieren und öffentlichkeitswirksame Massnahmen ergreifen.
Fünf Fähigkeiten, die ein Bischof in der heutigen Zeit mitbringen muss?
Ein Bischof sollte:
effektiv führen und organisieren können. Dies umfasst die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, Ressourcen zu verwalten und die Vision der Kirche zu kommunizieren.
ein fundiertes Verständnis der christlichen Theologie und christlicher Traditionen haben.
einfühlsam und mitfühlend sein, um die Bedürfnisse seiner Gläubigen zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren. Er sollte in der Lage sein, die Menschen in ihren spirituellen Herausforderungen zu unterstützen und sie auf ihrem Glaubensweg zu begleiten.
interkulturelle Kompetenzen mitbringen.
klar und überzeugend zu kommunizieren können.
Welche Anliegen würdest du mit Papst Franziskus bei einem Abendessen besprechen?
Ich würde mit ihm verschiedene Themen diskutieren:
Möglichkeiten, wie die Kirche junge Menschen besser erreichen und unterstützen kann, sowie die Bedeutung von Familienwerten in der heutigen Gesellschaft.
Herausforderungen im Bereich der Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit.
Die Bedeutung des interreligiösen Dialogs für den Weltfrieden und die Förderung von Toleranz und Verständnis zwischen verschiedenen Glaubensrichtungen.
Möglichkeiten, wie die Kirche und die internationale Gemeinschaft zusammenarbeiten können, um die Armut zu bekämpfen und soziale Ungleichheiten zu verringern.
Die Rolle der Kirche im Kampf gegen den Klimawandel und die Förderung umweltfreundlicher Praktiken auf globaler Ebene, Austausch über Sozialenzyklika „Laudato Si“.
Die ethischen Implikationen neuer Technologien und wissenschaftlicher Fortschritte sowie die Rolle der Kirche bei der Förderung verantwortungsbewusster Innovation.
Welche Stelle in der Bibel berührt dich?
Matthäus 5, 3-12: Die Seligpreisungen, die Jesus in der Bergpredigt verkündet.
Lukas 15, 11-32: Das Gleichnis des verlorenen Sohnes.
Was tust du, um einmal Pause von der Kirche zu machen?
Weiterbildung und Erforschung
Jakobsweg als Pilgerweg
Was ist das ‘Verrückteste’, das du je getan hast?
Für das «Verrückteste» in meinem Leben halte ich den Bistumswechsel, freue mich aber darüber, dass ich nicht enttäuscht wurde.
Welcher Mensch hat dich sehr beeinflusst?
Meine Grossmutter und meine Eltern haben mich gelehrt zu beten und haben mir die katholische Religion und Spiritualität geschenkt. Ihr Beispiel hat mich sehr beeinflusst. Die Heilige Mutter Theresa; die Einfachheit ihres Lebens. Ihr Werk aus dem Evangelium, die in fünf Finger zeigen konnte: «You did it to me», «das habt ihr mir getan». (Mt, 25,40)
Welches ist für dich der schönste Ort?
Der schönste Ort ist für mich mein Geburtsort Binçë in Kosova und danach folgt sofort Rom.
Was kann man nicht mit Worten ausdrücken?
Emotionen
Sinneseindrücke, wie Farben, Berührungen, Klänge…
Spirituelle Erfahrungen
Tiefe, zwischenmenschliche Verbindungen, wie Liebe, Verbundenheit, Mitgefühl…