Was waren deine wichtigsten Stationen im Leben?
Erstausbildung als Primarlehrer am Lehrerseminar Sargans.
1973 - 1980 Lehrer an der Primarschule Flums-Kleinberg, daneben Organist in Flums und Heiligkreuz-Mels.
Besuch der ‘Theologiekurse für Laien TKL’ in Zürich.
1981/82 Studium der Theologie an der THC-Chur mit Wohnsitz am Priesterseminar St.Luzi.
1982/83 Zwischenjahr an der Benediktinerhochschule S. Anselmo in Rom. Hier entdeckte ich, dass Theologie breiter gefächert ist als im deutschsprachigen Theologiebetrieb. Es war gewissermassen ein Ausbruch aus der ‘germano-zentristischen’ Sichtweise.
1983 - 1987 Fortsetzung des Theologiestudiums an der THC mit Abschluss als Lic.theol. in Dogmatik. Titel der Arbeit: Gestorben für uns – ist Stellvertretung noch denkbar.
1988 - 1998 Mitarbeit in der Kommission für die Herausgabe des KG. Diese Mitarbeit war für mich eine indirekte Weiterführung des Studiums unter Anleitung von hochkarätigen Hymnologen und Kirchenmusikern.
Anfang Neunzigerjahre Kantonspräses von JW/BR, ausserdem Präses des SKMV (Schweizerischer Kirchenmusikverband).
Seit 1987 in der Seelsorge tätig, erst als Kaplan in der Pfarrei Buchs-Grabs, dann im Seelsorgeverband Buchs-Grabs-Sevelen. Seit 1997 Pfarrer der Seelsorgeeinheit Werdenberg. Die immer grösseren Seelsorgegebilde ziehen eine immer grössere Entfremdung von den Gläubigen mit sich.
2002 rückte ich als Dekan nach, nachdem mein Vorgänger wegen sexuellem Missbrauch angeklagt und verurteilt wurde.
Die Publikation der Pilotstudie 2023 über den sexuellen Missbrauch war für mich ein Déjà-vu-Erlebnis.
Beschreibe dich in ein paar Sätzen.
Existenzielle Fragen beschäftigen mich eher als strukturelle Fragen. Daher betrachte ich mich eher als ein Einzelgänger, als Krypto-Mönch. Ich kann zwar auf Menschen zugehen, bin aber immer wieder froh um Rückzugsmöglichkeiten. Ich bin eher ein Skeptiker, denn ein Optimist. Vor allem ist mir das Denken fremd, man brauche nur die Strukturen zu ändern, dann werde alles besser. Ich lebe stark aus dem Moment heraus. Das Entscheidende geschieht im Jetzt. Deshalb lebe ich auch nicht sehr strukturiert. Organisatorisches Talent geht mir ab.
Was braucht die Kirche aus deiner Sicht am dringendsten – heute und auch in die Zukunft gedacht?
Die Kirche kreist zu sehr um ihre institutionelle Dimension. Es werden grosse Anstrengungen gemacht, eine perfekte Organisation zu sein, die allen alles recht macht. Christus ist das Haupt der Kirche. Wir kreisen jedoch allzu sehr um die Oberhäupter. Die Rückbesinnung darauf, dass die Kirche der Leib des auferstandenen Christus ist, (Paulus) täte ihr gut.
Was darf in der Kirche nie verloren gehen?
Der Bezug zu ihrem Ursprung – Christus. Hierarchie kommt von hier-archos. Das bedeutet heiliger Ursprung. Geht die Beziehung zu diesem heiligen Ursprung verloren, verkommt die Kirche zu einer schlecht organisierten NGO.
Du musst das Vertrauen der Menschen in die Kirche wieder aufbauen/stärken: Welche Massnahme triffst du?
Ich treffe keine Massnahmen. Ich versuche, Mass zu nehmen an den Menschen, die mir begegnen: Was freut sie? Was schmerzt sie? Was brauchen sie, sofern sie überhaupt etwas brauchen.
Fünf Fähigkeiten, die ein Bischof in der heutigen Zeit mitbringen muss?
eine robuste psychische und physische Konstitution
zuhören und die Geister unterscheiden können
mit der gleichzeitigen Ungleichzeitigkeit (K. Rahner) zurechtkommen
innere Festigkeit, um in den divergierenden Strömungen innerhalb der Kirche den Halt nicht zu verlieren
Leidensfähigkeit
Welche Anliegen würdest du mit Papst Franziskus bei einem Abendessen besprechen?
Sind wir dem Anspruch des Vatikanum II. gerecht geworden, eine Kirche für die Welt sein zu wollen?
Welche Stelle in der Bibel berührt dich?
Die Grundzusage Gottes an Mose aus dem Dornbusch: Ich bin der Ich-bin-da. (Ex 3,14)
Doch lasse ich mich immer wieder neu von den biblischen Texten der Tagesliturgie und von den Psalmen des Stundengebets berühren. Die Bibel verändert mich ebenso, wie meine momentane Lebenssituation meine Sicht auf biblische Texte verändert.
Was tust du, um einmal Pause von der Kirche zu machen?
Diese Frage verrät eine eher eigenartige Vorstellung von Kirche. Es ist die Sichtweise von Kirche als Unternehmen. Man kann das soziologisch schon so betrachten. Mir ist diese Sichtweise fremd. Kirche ist eine theologische Grösse, kein Gegenüber, von dem ich mal Pause machen könnte. Die Kirche ist der Leib Christi. (vgl. 1 Kor 12, 12-30) Durch Taufe, Firmung und Weihe bin ich in diese Kirche hineingenommen. Ich kann da keine Pause machen.
Was ist das ‘Verrückteste’, das du je getan hast?
Dass ich mich am 1. Mai 1988 für die Weihe zum Priester zur Verfügung stellte.
Welcher Mensch hat dich sehr beeinflusst?
Je älter ich werde, umso mehr spüre ich, wie es meine Eltern waren: Die nüchterne Besonnenheit meines Vaters, der auch mal sagen konnte: ‘Widerspruch ist zwecklos!’ und meine Mutter mit dem Innerrhoder Temperament, die oft betete: ‘Vater, dein Wille geschehe, auch wenn ich es nicht verstehe.’
Welches ist für dich der schönste Ort?
Der schönste Ort ist dort, wo ich mich gerade wohl fühle und wo ich eine Aufgabe zu erfüllen habe.
Natürlich gibt es Orte, zu denen es mich immer wieder hinzieht: Assisi, Jerusalem, Rom, Anzio.
Was kann man nicht mit Worten ausdrücken?
Das Paradox, sich trotz allem in unserer Kirche geborgen zu fühlen.