Die kirchliche Jugendarbeit ist durch die Corona-Pandemie stark gefordert. Wie geht es Jugendlichen in diesen Tagen und was kann Jugendseelsorge leisten? Ein Gespräch mit Silvia Dietschi, Jugendarbeiterin/Religionspädagogin in der Seelsorgeeinheit Werdenberg (SEW). Sie ist intensiv mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf dem Weg als kirchliche Jugendarbeiterin, Religionspädagogin Oberstufe und Mittelstufe, Jubla-Präses und im Leitungsteam Firmweg der SEW. Seit einem Jahr hat Corona die Welt der jungen Menschen stark verändert. Wie wirkt sich die Pandemie auf ihren Alltag aus?
«Die Zahl der Jugendlichen, die in einer echten Krise sind, steigt», sagt Silvia Dietschi. Auffallend ist für sie, dass nicht allein COVID 19 viele belastet, sondern auch die unaufhaltsam scheinende Umweltzerstörung. Kürzlich hat sie mit einem jungen Mann gesprochen, der aufgrund dieser Summe an Belastung in einer echten Lebenskrise steckt. Er sehe keine Perspektive mehr, so seine niederschmetternde Bilanz. Auch der Übertritt ins Berufsleben ist schwieriger geworden, in der Oberstufe haben die Schülerinnen und Schüler nur mit Ach und Krach Schnupperlehren gefunden. Manche haben das Gefühl, dass es sie gar nicht mehr braucht aufgrund der wirtschaftlichen Situation. Jetzt, im April, haben noch lange nicht alle eine Lehrstelle auf den Sommer im Sack, das gab es auch vor Corona, aber weniger häufig.
Im Religionsunterricht merkt Silvia Dietschi: Manchen fehlt die Unbeschwertheit, bei jedem Treffen und jeder Unternehmung gibt es mehr zu bedenken als in anderen Jahren. In der 3. Oberstufe fällt auf, dass die Schulmüdigkeit tendenziell stärker ist als sonst. Viele Jugendliche fürchten sich kaum vor einer Ansteckung, aber es gibt auch die Ängstlichen oder die, deren Eltern sich, durchaus nicht unberechtigt, vor der Pandemie fürchten und dadurch den Spielraum für ihre Kinder stark einschränken. «Und Mädchen im Teenager-Alter umarmen einander, kuscheln, «kleben zusammen», ein ganz normales Verhalten, das jetzt eigentlich verunmöglicht ist», fällt Silvia Dietschi auf.
Was kann kirchliche Jugendarbeit tun in diesen besonderen Tagen? «Hellhörig sein, nachfragen wie es den Kindern und jungen Menschen geht». Viele «Gespräche» beginnen heute auf whatsapp mit einer vielleicht banal scheinenden Frage. Silvia Dietschi spürt dann: da ist mehr dahinter! So kommt es zu wichtigen Begegnungen, nur digital oder auch im Nachgang zum Chat noch physisch.
Die Jugendseelsorgerin plädiert vehement dafür, möglichst wenig ausfallen lassen sondern was erlaubt ist mit den entsprechenden Schutzkonzepten unbedingt durchzuführen und so Gemeinschaft zu ermöglichen. Beispielsweise auf dem Firmweg sei spürbar, dass die jungen Menschen es geniessen, sich physisch wieder zu treffen. Das Sternsingen Anfang Jahr hat allen Beteiligten Freude gemacht. Es gab zwar deutlich weniger Anmeldungen als üblich, aber erstaunlicherweise fast gleich viel Geld für das Kinderhilfswerk Missio.
Auch das Jahresprojekt «Helfende Hände» der Oberstufen-Schülerinnen und Schüler läuft trotz Corona wie schon in den vergangenen zehn Jahren. Es wird gemeinsam getragen von der Gemeinde-Jugendarbeit und der evangelisch-reformierten und katholischen Jugendarbeit in Gams. In diesem Jahr wird «Nestwärme» unterstützt, lanciert von zwei Frauen, die Kleidchen für Frühgeborene nähen und verschenken. Schülerinnen und Schüler nähen unter Anleitung selber oder animieren Mütter und Grossmütter dazu. Zudem verdienen sie mit selbstgebastelten Artikeln für den Frühlingsmarkt Geld für Material, das für «Nestwärme» gebraucht wird. Der Jugendraum Boom im Bürohaus der Pfarrei ist in diesen Tagen zur Werkstatt geworden. «Die Jugendlichen sind mit Feuer und Flamme dabei», freut sich Silvia Dietschi.
Jede gemeinsame Aktivität ist wichtig, denn Jugendliche müssen mehr zurückstecken als viele Erwachsene, sie vermissen Ausgang, Konzerte, Clubs, Tanz. Nicht alle können sich gut mit sich selber beschäftigen oder Corona-konforme Unternehmungen organisieren. Es gibt aber Ausnahmen. Silvia Dietschi erwähnt die Jublas. «Sie können das besser, treffen sich in der Natur zum bräteln oder gestalteten das Verbands-Leben super kreativ auch in der Zeit, als physische Gruppenstunden nicht möglich waren». Unter anderem setzte die Gamser Schar Ideen der Bundesleitung um, Wochenthemen wie das Backen waren digital angeleitet, die Kinder stellten stolz ihre Kuchen in den Chat, um sie später in den Familien zu geniessen. Oder es gab eine Beauty-Woche, in der witzige Fotos von Kindern mit Gurkenmasken die digitalen Jubla-Netze fluteten. Die Jugendarbeit in der Pfarrei Gams hat auch im ersten und sehr einschneidenden Lockdown ab März 2020 Aktionen gestartet, die Kinder daheim mitmachen konnten.
Das vergangene Jahr bezeichnet Silvia Dietschi als Jahr der Entwicklungen neuer Angebote, die in der Pandemie möglich waren, aber auch der Absagen und des Umorganisierens. Es gebe Leute die meinen, dass die Seelsorgeteams jetzt weniger Arbeit haben, erzählt die kirchliche Jugendarbeiterin. Das Gegenteil sei der Fall. Aktuell werden schon wieder Ausweich-Angebote erarbeitet. Zum Beispiel die geplante Taizé-Reise ist bedingt durch den harten Lockdown in Frankreich unmöglich geworden, ebenso die Reise nach Assisi. Jetzt wird umorganisiert und ein Lager in Morschach angeboten.
In den kommenden Wochen und Monaten wird sich die Situation voraussichtlich etwas entspannen, dank Schnelltests und Impfungen. Silvia Dietschi hat selber Corona gehabt, mit fünf Tagen Fieber und einem gestörten Geruchssinn, der unterdessen aber wieder normal ist, kam sie glücklicherweise gut davon. Bis zum Ende der Pandemie heisst es durchhalten. «Das gilt für alle, alle Altersgruppen sind betroffen, wenn auch in unterschiedlicher Weise», so ihr Schlusswort.