Sie ist jung, erfolgreich - und engagiert sich bei einer Partei, die seit Jahren an Stimmen verliert. Warum bleibt sie? Sarah Bünter, 27 Jahre, ist Präsidentin der «Jungen Mitte Schweiz», vormals «CVP». Ines Schaberger hat sie in ihrer Wohnung in St.Gallen getroffen.
Wir sind hier in deiner Wohnung, die sehr ästhetisch eingerichtet ist. Ist dir das wichtig?
Sarah Bünter: Ich bin viel unterwegs, daher ist meine Wohnung meine «Wohlfühloase», wenn ich nach Hause komme. Hier an der Wand hängt zum Beispiel ein Bild von der Kapelle in Gerlikon, dem Dorf im Thurgau, wo ich aufgewachsen bin. Mittlerweile ist St.Gallen für mich auch wie ein Dorf geworden - was ich sehr schön finde!
Du arbeitest in einem Raumplanungsbüro, schreibst an deiner Masterarbeit und bist Präsidentin der «Jungen Mitte Schweiz». Wie bekommst du das alles unter einen Hut?
Sarah Bünter: Aktuell arbeite ich etwas weniger, um meine Masterarbeit fertig stellen zu können. Ich bin so intensiv eingebunden in mein Amt, dass ich damit etwas zu lange zugewartet habe. Da musste ich jetzt die Notbremse ziehen. Kurz vor Weihnachten war es auch sehr viel, als wir den Namenswechsel durchgezogen haben. Da gab es viele Sitzungen und viel persönlichen Austausch, das Ganze ging mir auch emotional sehr nahe.
Aus «CVP» wurde «Die Mitte». War dieser Namenswechsel wirklich notwendig?
Sarah Bünter: Seit dem Namenswechsel haben wir als «Junge Mitte» einen grossen Zuwachs von jungen Menschen. Unsere Mutterpartei verliert Stimmen, seit ich auf der Welt bin. Da habe mir die Frage gestellt: Wollen wir unsere Werte weiterhin einbringen in die Zukunft der Schweiz? Das kann man eben nur, wenn einen gewissen Erfolg hat. Viele Junge, mit denen ich gesprochen habe, meinten, dass sie das «C» hindere – aber dass die Werte ihnen wichtig sind. Irgendwann war ich an dem Punkt, wo ich dachte: Wir ändern zwar unseren Namen, aber unsere Überzeugungen bleiben.
Was sind das für christliche Werte, die du vertreten möchtest?
Einerseits Chancengleichheit und Solidarität: Als Gesellschaft sind wir dafür verantwortlich, Menschen gemäss ihren Fähigkeiten zu unterstützen und zu fördern. Andererseits Eigenverantwortung: Der Staat kann nicht alles übernehmen. Man ist auch selbst dafür verantwortlich, für das, was man tut. Man mutet dem Menschen viel zu - in unserem föderalistischen System wie im Christentum.
Du bezeichnest dich selbst als spirituellen Menschen. Was meinst du damit?
Ich glaube, dass es etwas gibt, das mächtiger ist als wir. Ich denke, jeder Mensch hat eine Kraftquelle. Für mich ist es nicht so relevant, ob man katholisch, reformiert, muslimisch oder atheistisch ist. Meinen Glauben habe ich in einer für mich schwierigen Zeit gefunden, doch mit manchen Dingen in der katholischen Kirche hadere ich. Für mich wäre es aber der falsche Weg, der Kirche den Rücken zuzukehren. Wenn ich Dinge sehe, die mir nicht passen, dann spornen sie mich an, diese zu verändern.
Was sollte Kirche deiner Meinung nach tun, um attraktiver für junge Menschen zu werden?
Man muss den Mut haben, neue Wege zu gehen. Die Botschaft ist gut – das war, finde ich, auch bei uns als CVP so. Doch wenn niemand sie hört, bringt auch eine noch so gute Botschaft nichts. Die Botschaft, die Kirche hat, bräuchten wir in unserer Gesellschaft, die von Individualisierung und Selbstoptimierung geprägt ist, eigentlich dringend. Aber dazu muss man abkommen von gewissen Vorstellungen, wie Kirche zu sein hat.
Das ganze Interview im «fadegrad»-Podcast hören
Warum engagiert sich Sarah Bünter bei «Die Mitte»? Was frustriert sie in ihrem Amt? Und was gibt ihr Kraft und Zuversicht? Das gesamte Interview gibt es zu hören im «fadegrad» Podcast, dem Podcast der katholischen und reformierten Kirchen der Kantone St.Gallen und Appenzell: http://fadegrad-podcast.ch, auf Spotify und Apple Podcasts.
Rückmeldungen zum Podcast sind willkommen unter: feedback[at]fadegrad-podcast.ch oder auf Instagram: https://instagram.com/fadegrad_podcast
Fotocredits: Ines Schaberger/fadegrad-Podcast