«Ich habe schnell gemerkt, dass das Zeitnehmen für die Grossen Exerzitien im Alltag für mich kein Müssen, sondern ein Geschenk ist. Zuvor hatte ich immer das Gefühl, der Tag ist so durchgetaktet, es hat kaum mehr Platz – aber für die Gebetszeit war immer Zeit. Mit drei Kindern zwischen 8 und 12 Jahren, den Abschlussprüfungen in der Ausbildung zur Katechetin und dem Home Office meines Mannes war es sehr herausfordernd. Wir wohnen in einem kleinen Haus, also musste ich erfinderisch werden: Ich ging in die Kirche, in die Natur oder in den Keller, um zu beten. Mein eingerichteter Gebetsplatz ist für mich aber immer noch der schönste Ort, wo ich zur Ruhe komme.
«Ich schrieb alles Schwere nieder...»
Im Winter waren die Grossen Exerzitien im Alltag sehr schwer für mich. All die wunderschönen Erkenntnisse des Anfangs waren weg. Ich musste oft weinen, weil viel Schweres in mir hochkam und ich merkte, dass da viele Verletzungen in mir waren, die ich nie angesehen hatte. Ich schrieb alles nieder und verbrannte die Blätter mit meinem geistlichen Begleiter. Das war so wohltuend! Die Verletzungen waren nicht weg, aber sie hatten sich verwandelt, hatten nicht mehr dieselbe Kraft.
Als die Tage wieder länger wurden, wurde es leichter. «Jesus liebt mich» - diese Gewissheit rutschte vom Kopf ins Herz, als mir klar wurde, dass er mich geliebt hat, bevor ich mich ihm zuwandte. Im Nachhinein sah ich, dass der Heilige Geist mich schon in vielen Momenten meines Lebens getragen hat, etwa bei beruflichen Entscheidungen, bei einem beinahe Zusammenstoss mit einem Auto oder als unser Sohn mit einem Knoten in der Nabelschnur auf die Welt kam.
«Mein Bild von Jesus hat sich verändert.»
Wenn ich mir jetzt ansehe, was ich während der Grossen Exerzitien im Alltag aufgeschrieben habe, denke ich: Das war gar nicht ich! Es ist schön, zu merken, dass in mir etwas passiert ist. Ich habe in mir einen Schatz gefunden, eine Liebe, die bleibt. Ich bin dankbarer, ausgeglichener und zufriedener geworden. Mein Bild von Jesus hat sich verändert, das merke ich auch im Religionsunterricht. Ich kann jetzt natürlicher erzählen, weil ich Erfahrungen mit dem Bibeltext gemacht habe. Auch nach dem offiziellen Ende der Grossen Exerzitien habe ich vor, das Sonntagsevangelium zu vertiefen und meine Gebetszeit beizubehalten. Eventuell treffen wir uns auch weiterhin in Wil in einer kleinen Austauschrunde. Für mich geht es definitiv weiter.»
*Sara Lenherr, 40 Jahre, lebt mit ihrer Familie in Wil. Sie arbeitet als Katechetin und engagiert sich freiwillig in der Geburtengratulationsgruppe, der Kinderkleiderbörse, dem Familienweekend und bei den Sternsingern.
Einladung zum Festgottesdienst
Am Pfingstmontag, den 05.Juni 2022, enden die Grossen Exerzitien im Alltag mit einem Festgottesdienst um 10.30 Uhr in der Kathedrale St.Gallen. Exerzitienteilnehmende werden von ihren Erfahrungen berichten. Herzliche Einladung!