Manchem mag dieser Satz in der jetzigen Zeit wie Hohn vorkommen. Fürchte dich nicht? Vor Terror und Krieg, Naturkatastrophen, vor Missbrauch (nicht nur) in der Kirche, vor Hunger, Krankheit, Tod und Leid in Nah und Fern. Es ist zum Fürchten!
„Fürchte dich nicht!“ – dieser Satz steht 365 mal in der Bibel und ist einer der Schlüsselsätze der Weihnachtsgeschichte. Dazu müssen wir uns klar machen, was wir an Weihnachten feiern: Wir feiern die Liebe Gottes zu uns Menschen und sein Sichtbarwerden im menschlichen Leben Jesu. Aber nicht nur Leben in absoluter Harmonie, mit Friede, Freude, wie wir es alle gerne hätten und wie es uns die Werbung zu Weihnachten immer wieder vermittelt. Nein, wir feiern das Leben mit all seinen Facetten – mit Freud und Leid, mit Gesundheit und Krankheit, Krieg und Frieden. Auch das Leben des Kindes von Bethlehem, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern, ist schon einige Tage später gefährdet durch Machtintrigen der Herrschenden. Das Kind ist auf der Flucht und je grösser es wird, desto mehr ist es dem Leid dieser Welt ausgesetzt – bis hin zum Tod am Kreuz.
Jesus teilt als Mensch das Geschick in dieser Welt, als kleines Kind und als Erwachsener; selbst seine göttliche Sendung bewahrt ihn nicht davor. Er leidet bis zur Verzweiflung. Er zweifelt gar an Gott, weil er sich im Stich gelassen fühlt. Er nimmt die schwersten und dunkelsten Erfahrungen unseres Lebens auf sich. Dadurch wird er solidarisch mit jedem menschlichen Schicksal. Das feiern wir an Weihnachten.
„Fürchte dich nicht!“ – so rufen die Engel auf dem Hirtenfeld den Menschen zu. Egal, was im Laufe des Lebens alles auf dich zukommt, sei dankbar für die Menschen, die dich begleiten und hab‘ Vertrauen, dass Gott dich nicht verlässt.
Neben Krippendarstellungen in unseren Weihnachtsstuben gibt es ein weiteres wunderschönes Zeichen für diese Weihnachtsbotschaft: das Friedenslicht von Bethlehem. Menschen aus einer der gefährdetsten Krisenregionen der Welt haben dieses Licht auf den Weg gebracht. Über alle sozialen, religiösen und politischen Grenzen hinweg wird dieses Licht von Mensch zu Mensch weitergeschenkt. Es ist verletzlich, ein leiser Windstoss, eine Unachtsamtkeit, und es brennt nicht mehr. Es wird zum Zeichen, wie fragil auch unser Leben und Zusammenleben ist.
Es gibt keine gute Antwort auf das viele sinnlose Leid in der Welt. Wir können nur darauf vertrauen, dass Gott es mit den Menschen trägt und dass es trotz des Unbegreiflichen in dieser Welt auch viele Menschen guten Willens gibt, die eher eine Kerze entzünden, als das Licht auslöschen. Dies ist weihnachtliche Hoffnung. „Fürchtet euch nicht!“
Ich wünsche Ihnen allen ein frohes, friedvolles und gesegnetes Weihnachtsfest
Bischof Markus Büchel