__________________________________________________________________
20. Tag
Goldene Spur
Es ist ein vergoldeter Neuanfang. „Kintsugi“ stammt aus Japan
und heisst „Goldreparatur“. Wenn eine wertvolle Keramikschale in
Scherben zerbricht, wird sie wieder zusammengefügt. Nicht ohne
sichtbare Risse, das wäre ja unmöglich. Aber: Die Bruchstellen
werden nicht nur mit besonderem Kitt und Lack geflickt, sondern
auch mit Goldstaub. So wirken die Brüche besonders kostbar, das
ganze Gefäss ist neu und anders, es glänzt sogar.
Jede wiederhergestellte Schale zeigt: Ich bin gebrochen, an verschiedenen
Stellen. Ich habe vieles überstanden. Es hat Mühe und Zeit gekostet,
wieder ganz zu werden, wieder neu gefüllt werden
zu können. Aber genau das macht mich einzigartig.
Iris Macke
__________________________________________________________________
Wertvoll
„Du hast einen Sprung in der Schüssel“, sagen wir im Volksmund. Wir sagen es eher spöttisch oder provozierend, aber es ist auch etwas dran, das stimmt:
Vieles ist angeschlagen in meinem Leben. Ich bin auch gebrochen. Wunden wurden geschlagen, denn ich habe mich dem Leben gestellt: Ich habe mich in Gefühle hineingewagt, liess mich in Beziehungen ein, wurde beschenkt und dann auch verletzt. Das alles macht mich einzigartig und wertvoll, wie die Schale. Es war gut und es ist wichtig, den Schmerz, das Feindliche in mir, die gegebenen Situationen und Gefühle nicht vorschnell zu vergolden – sondern echt zu durchleben, zu durchleiden, zu durchlieben.
Nicht Salz in die Wunde streuen und nichts auslassen, um letztlich achtsam und demütig, vielleicht sogar dankbar auf diese Goldspur der Brüche in meinem Leben zu schauen.
→ Ich schaue das Titelbild des Exerzitienheftes an.
→ Ich erinnere mich daran: Ich bin samt meinen Brüchen wertvoller denn je.
→ Ich verweile mit diesem Satz: Es sind die Brüche, in denen man sich erkennt.