Die Nähte halten noch besser
Seit Samstag wissen es die rund 400 Gäste – darunter einige Männer – Scheidern ist weder geruhsam noch langweilig, nein brandgefährlich. Stoffrollen, halbfertige Kleidchen an einem raffinierten Drehkarussell, riesige Nadeln, Scheren, Nadelkissen, ein dauerquatschender Vogel und ein Spiegel, der es in sich hat. Gardi Hutter wirbelt mit ihren Nähutensilien, flirtet mit ihrem Spiegelbild und lässt die Scheren einen wilden Cancan tanzen. Alles wird kommentiert in ihrer Plappersprache, die praktisch ohne ein Wort auskommt und doch absolut verständlich ist.
Der Tod klopft an
Unter Termindruck sucht die Schneiderin hektisch nach Stoff und landet kopfüber in einem Abfalleimer. Zwar kann sie sich befreien, taucht aber mit einer riesigen Schere im Kopf auf. Der Tod klopft an die Tür, im Spiegel wirbelt nun das rotzfreche, resolute Pendant – ihr Geist - im Takt mit der Schneiderin, die nicht daran denkt, freiwillig in die Grube zu steigen. Im Gegenteil, das pralle Leben soll es jetzt erst recht sein. Sie tanzt, trinkt, raucht und schnappt sich einen Mann aus dem Publikum. Der Angebetete aber verlässt die Bühne bald fluchtartig, die Schneiderin heult und flennt. Das Leben in vielen Facetten spielt sich ab und der Tod hat kein leichtes Spiel bis die Schneiderin bereit ist, sich auf die letzte Reise einzulassen.
So viele Schneiderinnen
Das Gardi-typische quietschen, schnattern, jubeln und singen verstummt endgültig – und in der Halle brandet tosender Applaus auf. Die Clownin hat sich einmal mehr in die Herzen des Publikums gespielt. Zwei Feststellungen macht Gardi Hutter nach ihrem Auftritt: Vor 50 oder 100 Jahren hätte sie sich wohl nicht getraut, an einem Anlass des katholischen Frauenbundes eine verrückte Schneiderin zu spielen. Und: vermutlich habe sie „Die Schneiderin“ noch nie vor so vielen Schneiderinnen aufgeführt. Dies bestätigt Gabi Stadler, Präsidentin des Frauenbundes St. Gallen-Appenzell: „Einige Frauen sind gelernte Schneiderinnen und weitere haben extra für den Galaabend ein Kleid genäht“.
Es geht weiter
27‘000 Mitglieder feiern 2013 ihren Verband. Jubiläumsgotte Kathrin Hilber referierte am Starttag unter dem Titel „Frauen es hat sich gelohnt und es geht weiter“. Bischof Markus Büchel dankte am Jubiläumsgottesdienst 600 anwesenden Frauen und vielen Gästen für ihr riesiges Engagement, an der GV erlebten die Jubilierenden ein Feuerwerk an Frauenpower, mit dem Musical-Star Monica Quinter oder der Standing Ovation für die Gründerin von „Mutter von Mütter in Not“, Beata Gschwend. „Und dass der Frauenbund öffentlich Schlagzeilen machte ist zusätzliche Motivation für die nächsten 100 Jahre“, betont Gabi Stadler. Am Galaabend hatten sie und die vielen Helferinnen endlich Zeit sich zurückzulehnen, Gemeinschaft zu pflegen und herzhaft zu lachen. „Die Schneiderin“ war ein passendes Stück, die Verbindungsnähte im Frauenbund sind 2013 noch stärker geworden. 100 Jahre Kantonalverband, 100 Jahre Frauenarbeit, Engagement in Kirche und Gesellschaft, Veränderungen, Entwicklungen, Gemeinschaft, Freud und Leid. Viel Grund zu feiern und es ist noch nicht ganz zu Ende. Den Schlusspunkt bilden die Herbstimpulse der Schlatter Theaterfrauen im waschechten Appenzöller-Dialekt.
Mehr unter: www.frauenbundsga.ch